Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
Dankbarkeit. Eigentlich war er nie von ihrer Seite gewichen, hatte sie nicht einmal im Stich gelassen und sich für ein Leben entschieden, das woanders stattfand. Peter hatte den Menschen, die ihm wichtig waren, den Vorrang gegeben. Und er hatte sich verändert, seit sie hier angekommen waren. Es war so offenkundig, dass er hierher gehörte, dass es Anna ein Rätsel war, warum er nicht längst zurückgekehrt war. Zu Peters ohnehin positiver Gesinnung hatte sich eine Stärke und Bestimmtheit gesellt, die Anna bislang von ihm nicht kannte.
»Also gut, Jungs. Edmund, du hältst das Bein fest und du …« Peter hielt kurz inne.
Erins Bruder nutzte die Pause und reichte Peter die Hand. »Ich bin Noah. Später würde ich mich freuen, näher mit Annas ältestem Freund Bekanntschaft zu machen.«
Die Spur eines Lächelns glitt über Peters Gesicht. »Peter«, gab er kurz zurück und schlug in die ausgestreckte Rechte ein. »Noah, du hältst seine Schultern. Und Jungs, egal, was passiert, ihr lasst nicht los. Ist das klar?«
Die beiden nickten und Anna staunte. Peter hatte sich wirklich verändert. Sie hätte ihm diese Rolle nicht zugetraut. Es war selten und äußerst ungewöhnlich, dass er Befehle erteilte, doch niemand hier schien seine Autorität auch nur einen Moment infrage zu stellen. Sacht legte er die Hand um Annas Schulter. »Und du, Kleines, du weißt, was zu tun ist, nicht wahr?«
Anna nickte, sie wusste genau, was zu tun war, und auch, dass die Zeit des Zögerns vorüber war.
»Ich werde an deiner Seite bleiben, Anna, eventuell deinen Arm stützen. Beachte mich nicht.«
Der Hinweis war unnötig. Anna packte die Feder am Schaft und trat an Alexanders Bett. Alles andere trat in den Hintergrund. Nur Alexanders Verletzung und die Feder waren wichtig, weder Noah noch Edmund und auch nicht Peter. Sie alle verschmolzen mit dem Raum, waren bedeutungslos. Anna spürte den warmen Abendwind nicht mehr, der eben noch ihre Haut gestreichelt hatte, hörte die gedämpften Stimmen nicht. Sie sah nicht, wie Peter die Tür von innen verriegelte und an ihre Seite trat. Ihre Finger umschlossen den Federkiel, ruhig und fest. Das Brennen ihrer Hand ignorierend, beugte sie sich über das verletzte Bein. Leicht berührte sie die Wunde des Fiebernden. Sie sah, wie Alexander versuchte, das Bein fortzuziehen, doch Edmunds Hand umschloss den Fuß wie ein Schraubstock. Alexander hatte keine Chance. Langsam zog sie die Feder die Wunde entlang, folgte dem Schnitt, der sich um Alexanders Wade wand. Teilnahmslos beobachtete sie, wie die Spitze der Feder glühte und aufglomm, hörte, wie Alexander schrie. Es störte sie nicht. Mit ruhiger Hand führte sie die Feder über die Verletzung und nahm am Rande den Geruch von verbrannter Haut und versengten Haaren wahr.
Alexanders gepeinigter Körper versuchte, sich aufzubäumen, doch auch Noah folgte Peters Anweisungen. Mit aller Kraft drückte er den Verletzten zurück in sein Kissen. Die Federspitze verglühte, Asche fiel auf die Wunde, doch die Flamme verlosch nicht. Wieder und wieder führte sie die rote Feder über die Verletzung, ignorierte sowohl Schreie als auch den zuckenden Körper. Ihr Arm wurde schwer, Anna spürte ihre Kräfte schwinden, doch sie durfte jetzt nicht aufhören. Etwas griff unter ihren Ellbogen und stützte sie. Dann verlosch der Funke, ein letzter Rest Asche sank schwebend auf das verletzte Bein. Nun schoben sich die Nebensächlichkeiten mit plötzlicher Heftigkeit in den Vordergrund. Überdeutlich nahm Anna ihren eigenen Schmerz wahr. Die Narbe in der Hand brannte, als hätte jemand ein glühendes Messer hineingebohrt. Heiße Wellen jagten den Arm hinauf, breiteten sich rasend schnell im ganzen Körper aus. Sie sah, wie sich Edmund den Schweiß von der Stirn wischte und Noah fassungslos auf Alexanders Bein starrte. Ihr Körper wurde von heftigem Zittern geschüttelt, die Übelkeit kehrte zurück. Noch bevor die Beine unter ihr nachgeben konnten, stürzte sie zum offenen Fenster, beugte sich weit hinaus und begann zu würgen. Mit einem Satz war Peter an ihrer Seite, griff ihr unter die Arme und ließ sie vorsichtig auf den Boden sinken. Behutsam lehnte er sie an die Wand unter dem Fenster und setzte sich neben sie.
»Gut gemacht, Kleines. Tief durchatmen, gleich geht es besser.« Er sah sich um. »Noah, Violabeeren! Sag deiner Mutter Bescheid, wir brauchen alles, was den beiden Kraft geben kann. Außerdem Wasser und Verbandszeug.«
Noah nickte stumm, warf Peter im
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