Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
aufgehört, sich zu wundern, aber das verstand sie nun wirklich nicht. Peter war neben ihr in die Hocke gegangen und hob die Schlingen vorsichtig hoch. Jetzt erst konnte man erkennen, dass das dunkelgrüne Gestrüpp ein kunstvoll ineinander verflochtenes Netz war. Anna suchte nach Blüten oder Wurzeln, doch das grüne Etwas vor ihr bestand lediglich aus vielen verschiedenen Farnen und Ästen, die miteinander verknotet waren. Peters Augen leuchteten.
»Darf ich?« Er blickte Bridget fragend an und diese nickte schmunzelnd. Behutsam hielt er das Netz hoch, breitete es aus, sodass die Sonnenstrahlen durch die feinen Löcher dringen konnten. Anna staunte, das war ein Kunstwerk und würde sicher problemlos den Boden ihres kleinen Zimmers bedecken. Peter schien vor Begeisterung kaum noch an sich halten zu können. Er hielt es mit ausgestreckten Armen vor sich und sah sich um. Schließlich schien er gefunden zu haben, was er suchte und lief auf einen kleinen Rosenbusch zu. Sacht ließ er das Netz auf den Busch fallen und Anna traute ihren Augen nicht. Alexander hatte ihre Hand ergriffen und drückte mit aller Macht zu. Der Rosenbusch war verschwunden!
»Was zum Teufel …« Anna hielt es nicht mehr neben Alexander. Sie eilte zu Peter und streckte ihre Hand aus. »Autsch!« Der Rosenbusch war noch da, die Dornen ebenfalls. Ein kleiner Blutstropfen quoll aus ihrem Finger. Ungläubig starrte sie auf die Stelle, wo eben noch das hübsche Gewächs zu sehen gewesen war. Nun sah man lediglich die Holzwand von Bridgets Kräuterhütte, die zuvor von den Rosen verdeckt worden war. Die Wand war moosbewachsen, normalerweise sah sie kein Sonnenlicht.
»Er ist schon noch da, Anna.« Peter strahlte über das ganze Gesicht, griff ins Nichts und zog das Netz von dem Busch herunter. Nach und nach tauchten die Rosen wieder auf, und als der grüne Vorhang keinen Kontakt mehr zu den Blumen hatte, konnte man auch die fein geflochtenen grünen Schlingen wieder sehen. Triumphierend hielt Peter Anna das Netz unter die Nase. »Steht auch in der Ars Magica , Kleines. Hättet ihr euch ein wenig mehr beeilt mit dem Lesen, wüsstet ihr jetzt auch, was das ist.«
Anna rümpfte die Nase, Noah hatte ihnen das Buch erst heute Morgen gegeben. »Und was genau ist es, Onkel Schubert?«
Peter tauschte einen flüchtigen Blick mit Bridget, die ihm bestätigend zunickte. »Das, Anna, ist ein Abolesco Schleier. Hab ich recht, Bridget?«
Die roten Locken wippten rhythmisch.
»Er ist verdammt schwierig herzustellen, aber sehr effektiv, wie du siehst. Eine geniale Idee, übrigens.« Peter warf Richard und Bridget einen anerkennenden Blick zu. »Und mühsam. Man braucht drei verschiedene Pflanzen, einen Farn, eine Alge und die Zweige vom Ollaris-Baum, wenn ich mich recht erinnere.«
Richard und Bridget tauschten einen vielsagenden Blick. Offenbar hatte Peter sie beeindruckt. »Richtig, Peter.« Richard nahm das Netz in die Hand und fuhr mit dem Finger das komplizierte Muster nach. »Wir haben uns lange den Kopf darüber zerbrochen, wie es uns gelingen könnte, Alexander und nun auch Anna sicher von hier fortzubringen. Auf die Zwerge und ihre Tunnel können wir wohl nicht mehr zählen, jetzt wo sie zurückbekamen, was wir so lange für sie aufgehoben hatten.«
Das musste ein ganz besonderer Streich gewesen sein, überlegte Anna, als sie sah, dass sich Richard immer noch diebisch über diesen Coup freute.
»Wenn sie wüssten …« Richard gelang es nicht, sich ein verschmitztes Grinsen zu verkneifen.
Wenn sie was wüssten? Wieder verstand Anna kein Wort. Mit einiger Genugtuung stellte sie fest, dass Alexander ebenfalls ratlos war. Auf seiner Stirn hatte sich eine Unmenge kleiner Falten gebildet. Er rieb sich die Schläfen und versuchte anscheinend, den Worten einen Sinn zu entnehmen.
Richard gab den Schleier seiner Frau zurück und fuhr fort. »Bridget hat Stunde um Stunde geflochten und geknotet, während Nico und Noah eifrig die Pflanzen besorgt haben. Dieser Abolesco Schleier ist nur ein winziger Teil davon, was die drei zustande gebracht haben. Der Rest befindet sich gut versteckt im Haus. Ich kann Peter nur zustimmen.« Er hielt kurz inne und sah Anna und Alexander aufmerksam an. »Es ist eine mühsame und nicht gerade leichte Aufgabe. Doch meine vielseitig begabte Frau«, er drückte ihr kurz und sichtlich stolz die Hand, »hat sich mit Feuereifer dieser Aufgabe gewidmet. Der Schleier muss, wie ihr gesehen habt, mit anderen Pflanzen in Berührung
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