Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
so gehen lässt? Wir brauchen einen Plan, und zwar einen guten. Ich glaube nicht, dass es ihr gelungen ist, den Phönix zu fangen, aber ihr läuft die Zeit davon.«
Er betrachtete Anna, die zwischen Alexander und Peter an dem großen Tisch saß. Ihre schmale Hand verschwand beinah ganz unter der ihres Freundes. Schließlich löste sie sich von Alexander und erhob sich. Anna lief einige Male stumm im Zimmer auf und ab und blieb dann vor Richard stehen.
»Sie will mich, Richard. Nur mich. Was, wenn wir ihr geben, was sie will? Sie hat den Phönix noch nicht, das wüsste ich.«
Alexanders Stuhl fiel krachend zu Boden. Mit einem Satz war er an Annas Seite und drehte sie grob zu sich um. »Schlag dir das aus dem Kopf. Genau so was habe ich befürchtet. Deshalb solltest du nicht zurückkommen. Anna, verflucht noch mal. Du hast Richard gehört, wir brauchen einen Plan.«
Anna sparte sich eine Antwort und trat einen Schritt zurück.
»Vor allem«, meldete sich Peter zu Wort, »müssen wir schlauer sein als Kyra. Und einen kühlen Kopf bewahren.«
Er funkelte Anna an, bis diese den Blick senkte. Er kannte sie von allen hier am besten … viel zu gut.
»Kleines, egal, was jetzt in deinem hübschen Kopf herumspukt, schlag es dir aus eben jenem. Niemandem, absolut niemandem ist mit unbedachtem Handeln gedient. Und ich gebe Richard recht, aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie Nico sowieso nicht gehen lassen, selbst wenn du meinst, die Heldin spielen zu müssen.«
Er schob sich zwischen Anna und Alexander, breitete seine Arme aus und legte sie über ihre Schultern.
»Silvanubis hat seine eigenen Regeln. Es ist nicht immer alles so, wie es scheint. Wer weiß, vielleicht ist es gar nicht so einfach, die Magie zu kontrollieren oder vielmehr zu zerstören, wie Kyra sich das vorstellt. Manchmal denke ich, jemand zieht die Fäden und hat einen Plan, der größer ist als wir.«
Er ließ Anna nicht einen Moment aus den Augen. Fast unmerklich bewegte sie den Kopf, nickte nachdenklich. Ein Plan, der größer ist … Mit einem Mal wusste sie, was zu tun war. Natürlich, sie hätte es schon längst verstehen müssen … Peter hatte genau das erreicht, was er zu verhindern versuchte. Er hatte ihr den Weg gewiesen. Der Plan war größer, viel größer. Deshalb hatte der Phönix sie ausgesucht. Glasklar sah sie den Weg vor sich, den nur sie beschreiten konnte. Anna hoffte, es würde noch eine Weile dauern, bis auch Peter es verstanden hatte.
Kapitel 19
Die Hand am Steuer
» G ute Nacht.« Sie küsste Alexander, bevor sie die Zimmertür hinter sich schloss. Ihr Herz war schwer wie Blei. Niemals, niemals würde er ihr verzeihen, doch ihre Entscheidung stand fest. Diesen Weg musste sie allein gehen. Wenn ihr Plan misslang, so war es gerade das letzte Mal gewesen, dass sie seine Lippen berührt hatte. Anna fuhr mit der Zunge über ihre Unterlippe, sie schmeckte ihn noch. Mit einem Seufzer ließ sie sich auf der Bettkante nieder. Nun musste sie warten. Warten, bis Stille eingekehrt war. Warten, bis das Haus schlief.
Anna rieb sich die Schläfen. Sie war müde, doch an Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Ein paar Mal noch hörte sie die Treppenstufen knarren, Türen wurden leise geöffnet und wieder geschlossen. Sie lauschte. Nichts. Das Fenster stand offen und die angenehm kühle Luft tat ihr gut. Nicht mehr lange, zwei Stunden vielleicht, und die ersten Sonnenstrahlen würden am Horizont auftauchen. Wenn es ihr wirklich ernst war mit ihrem Plan, durfte sie nicht warten. Annas Pulsschlag beschleunigte sich. Entschieden streifte sie das sandfarbene Oberteil ab, nahm die Kette mit dem Medaillon vom Hals und griff nach Nadel und Faden. Niemand hatte bemerkt, wie sie vorhin nach Bridgets Nähkästchen griff. Mit einem kleinen Messer trennte sie die Naht der Brusttasche vorsichtig auf. Mit etwas Glück würde niemand ihr Maskottchen finden, doch sie brachte es nicht übers Herz, das Amulett hierzulassen. Wenige Nadelstiche und einige unterdrückte Flüche später war das Medaillon zwischen zwei Stoffschichten unter der wiederangenähten Brusttasche verschwunden.
Jetzt oder nie, der Zeitpunkt war gekommen, das Steuer selbst in die Hand zu nehmen. Wenn sie die Wachen am Waldesrand bei der Morgendämmerung erreichen wollte, hieß es jetzt aufzubrechen. Doch zunächst musste es ihr gelingen, einigermaßen unbemerkt das Haus zu verlassen. Sie durfte nicht zögern. Niemals würde sie in der Lage sein, zu verschwinden,
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