Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
mir den Führerschein weg. Ohne Auto ist es schlimm. Ich kann dann auch meine Mutter nicht mehr besuchen.« Ich habe versucht, ihn zu beruhigen. Ich wusste, dass Autos und damit der Führerschein sein »Heiligtum« sind. Da ich ihn schon lange kannte, hatte ich keinen Zweifel an dieser Begründung.
Er war aber sehr aufgeregt, was ich bei ihm noch nicht in der Form erlebt habe. Da er normalerweise keinen Alkohol trinkt, nahm ich an, dass das eine Folge des Trinkens war. Ich versuchte ihn zu beruhigen, indem wir vorwiegend über berufliche Dinge redeten. Wir führten dann ein langes Gespräch über seine Wohnung, die noch notwendigenArbeiten, die Vermietungsmöglichkeiten und gingen die Renditeberechnung durch. Das alles beruhigte ihn dann tatsächlich wieder.
Ich versuchte ihn zu überzeugen, dass er sich stellen muss und dass er dann wahrscheinlich den Führerschein nur für einige Monate verlieren wird. Er versprach es und stieg in der Dresdnerstraße aus. Da ich ihn als korrekten Menschen kannte, hatte ich keinen Zweifel, dass er das auch tun würde.
Priklopil war allerdings nicht bereit, sich der Polizei zu stellen. Er hatte Natascha gesagt: »Lebend kriegen die mich nie.« Diese Aussage machte er wahr. Kurz vor einundzwanzig Uhr warf er sich zwischen den Stationen Wien-Nord und Traisengasse vor eine S-Bahn und starb. Der Bekannte, der ihn als Letzter gesprochen hatte, identifizierte die Leiche.
Gesichter des Bösen gibt es überall
Natascha Kampusch schrieb in ihrem Buch: »Die Gesellschaft braucht Täter wie Wolfgang Priklopil, um dem Bösen, das in ihr wohnt, ein Gesicht zu geben.« Fritzl und Priklopil sind nur die in Westeuropa bekanntesten Fälle von Männern, die sich aus jungen Mädchen ihre Traumfrauen heranzüchten wollten. Ähnliche Fälle sind auch aus den USA, Russland, Frankreich, Italien und Brasilien bekannt. Die erschreckende Wahrheit ist: Solche Täter gibt es überall, auch wenn niemand weiß, wie viele von ihnen zurzeit Menschen gefangen halten.
Phillip Craig Garrido
In den USA wurde erst 2009 der Fall von Jaycee Lee Dugard bekannt. Das Mädchen war im Alter von elf Jahren 1991 entführt worden, und zwar, wie auch Natascha Kampusch, auf dem Weg zurSchule. Sie stand an der Bushaltestelle, von der aus sie ihr Zuhause sehen konnte. Ihr Stiefvater beobachtete sogar noch vom Fenster aus, wie ein Auto neben ihr anhielt und eine Frau sie hineinzerrte. Dennoch blieben die anschließenden Ermittlungen erfolglos.
Mit dieser Entführung erfüllte sich der damals vierzigjährige Phillip Craig Garrido seinen Traum von einer perfekten, jungen Partnerin. Er war zum Zeitpunkt der Entführung mit der sechsunddreißigjährigen Nancy Bocanegra verheiratet, die Jaycee ins Auto zerrte. Die beiden hatten sich kennengelernt, als Garrido im Gefängnis saß und Bocanegra ihren Onkel dort besuchte. Sie heirateten zehn Jahre vor Jaycees Entführung.
Bocanegra war sehr wahrscheinlich eine jener Frauen, die sich zu herrschsüchtigen und gewalttätigen Männern hingezogen fühlen. Diese Frauen fühlen sich außerstande, ihr Leben alleine zu bestimmen und in die Hand zu nehmen. Oft sind ihre späteren Partner ihren gewalttätigen Vätern ähnlich. Solche Frauen tun für die Männer, von denen sie oft schlecht behandelt werden, alles und sind regelrecht abhängig von ihnen. Deshalb ist es durchaus nachvollziehbar, warum Nancy Bocanegra bei der Entführung mitmachte und jahrelang mit ansah, wie ihr Mann sich ein junges Mädchen als zweite Ehefrau hielt.
Phillip Garrido war ein antisozialer Täter mit sexueller Vorliebe für jugendliche Mädchen. Er kam 1951 in Kalifornien zur Welt. Sein Vater sagte nach seiner Verhaftung aus, als Kind sei er normal gewesen. Als Jugendlicher habe er einen schweren Motorradunfall gehabt und angefangen Drogen zu nehmen. Eine Psychiaterin, die mit Garrido sprach, als er fünfundzwanzig Jahre alt war, schrieb über ihn, dass er schon in seiner Kindheit schwere Probleme mit seinen Eltern gehabt habe. Sicher ist, das Garrido seine sexuelle Vorliebe für junge Mädchen früh entwickelt hat. Als er einundzwanzig Jahre alt war, wurde er angezeigt, weil er eine Vierzehnjährige sexuell belästigt hatte. Das Mädchen wollte aber nicht vor Gericht aussagen, weshalb dieser Vorfall keine Folgen für ihn hatte.
Ein Jahr später brannte er mit seiner neunzehnjährigen Schulfreundin Christine Murphy durch. Kurz nachdem die beidenheimlich geheiratet hatten, begann er damit, sie zu schlagen. Murphy
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