Aus der Hölle zurück
Magazin. Sie droschen auf jeden ein, der es nicht mehr schaffte, sich zu verdrücken. Dabei schrien sie: »Im Laufschritt!« »Donnerwetter, ihr verfluchten polnischen Hunde!« »Los, im Laufschritt!«
Ich lief schon geraume Zeit mit den Säcken hin und her. Es reichte mir. Ich war vollkommen ausgepumpt, durchgeprügelt und erledigt. Die Säcke waren dicht mit Staub und Zementkörnchen bedeckt. Beim Herauswuchten aus dem Waggon legte sich dieser Staub auf unsere Gesichter und Kleidung. Nach ein paar Stunden sahen alle ganz fürchterlich aus, einige mit Blut besudelt und durch Schläge verletzt.
Die »Mittagspause« begrüßten wir wie eine Erlösung. Meine Zellengenossen aus Częstochowa – Wojciechowski, Wieczorkowski, Rychlewski und Szulakowski – hatten ihre gewöhnlich gute Laune verloren. Wir klopften unsere Kleidung ab. Dann stellten wir uns an, um eine Schüssel und die Verpflegung in Empfang zu nehmen, die unser Leben verlängern sollte – für wie lange vermochte niemand zu sagen.
An diesem Tag entluden wir die Zementsäcke von drei weiteren Waggons. Pünktlich zum Abendappell kehrten wir ins Lager zurück. Diejenigen, die am Ende des Arbeitskommandos »Bauhof« marschierten, trugen zwölf zu Tode Gequälte. An anderen Tagen waren es noch mehr Tote.
Die nächsten vier Tage auf dem Bauhof unterschieden sich nur wenig vom ersten. Das ewige Gebrülle, das Prügeln und das Tragen der Zementsäcke im Laufschritt riefen eine psychische Abstumpfung in mir hervor. Ich war ständig entsetzt und verängstigt, bis am Ende irgend etwas in mir zusammenbrach. Es kam mir so vor, als würde das ewige Gelaufe mit dem Zement auf dem Rücken niemals enden, als würde ich schließlich mit einem Sack hinfallen. Ein Kapo oder die SS -Leute würden mir erbarmungslos den Rest geben.
Tag für Tag wurden mehrere oder gut ein Dutzend Häftlinge nach der Arbeit ins Lager geschleift oder geschleppt. Man warf sie vor die Treppen der Blocks, in denen die zu Tode Gequälten untergebracht gewesen waren. Mein Entsetzen verband sich mit der Vorstellung, daß ich schon die Leiche sei, in die ich mich unweigerlich verwandeln mußte. Die Angst war insofern von Bedeutung, als sie zur Vorsicht und zur den Umständen entsprechenden Arbeitserfüllung anspornte. Doch sei es wie es sei – nach einer Woche hatte mich das Schleppen der 50 Kilogramm schweren Säcke zermürbt. Am schlimmsten war, daß ich ständig hungrig herumlief. Bei dieser schweren körperlichen Arbeit mußte man gut essen, um bei Kräften zu bleiben. Ich hatte aber keine andere Wahl. Ich wollte leben, mußte also ständig das Letzte aus mir herausholen, um nicht bei der Arbeit erschlagen zu werden. Die Lebensmittelrationen waren unzureichend. Eine Quelle für zusätzliche Verpflegung hatte ich nicht. Meine Kräfte ließen nach.
Die älteren Gefährten aus meiner Transportgruppe verlor ich irgendwie aus den Augen. Nach einiger Zeit konnte ich sie nicht mehr beim Tragen der Zementsäcke entdecken. Nach einem Abendappell erfuhr ich von Wieczorkowski, daß er zur Gruppe der Häftlinge verlegt worden sei, die Bretter stapeln mußte. Diese Arbeit war weitaus leichter und nicht so auszehrend. Auch Kwiatkowski war es gelungen, sich in diese Gruppe hineinzuschmuggeln. Mietek Wieczorkowski riet mir, ich sollte mich beim Antreten der Bauhof-Kolonne, nach dem Morgenappell beim Befehl »Arbeitskommando formieren!«, möglichst nicht zu den ersten Zehner- bzw. Hundertergruppen gesellen. Denn dort bestand die Gefahr, daß die Kapos und Vorarbeiter »ihre« Häftlinge der Arbeitsgruppe wiedererkannten und die erprobten, gut eingespielten Häftlinge für ihre Abteilungen haben wollten. Mit ihnen konnten sie sich vor den SS -Leuten durch gute Arbeitsergebnisse hervortun. Man mußte versuchen, sich möglichst am Ende der Kolonne einzureihen.
Das begriff ich. Mit klopfendem Herzen ordnete ich mich beim nächsten Morgenappell der letzten Hundertergruppe des Bauhof-Kommandos ein. Aber das ging schief. Der Vorarbeiter entdeckte mich trotzdem. Ich war vollkommen niedergeschlagen und erwartete Strafen oder besondere Schikanen seinerseits. Doch, o Wunder, er war nachsichtig und verprügelte mich nicht. Im Gegenteil: Er wies mich an, zum Schuppen mit den Zementsäcken zu gehen und dort beim Aufstapeln zu helfen. Das war bereits eine bessere Arbeit, die unter einem Dach und nicht im Laufschritt stattfand.
Im Lagerschuppen waren wir ein gutes Dutzend Arbeiter. Während vier oder sechs von uns
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