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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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den Schleppern die Säcke abnahmen, konnten die anderen etwas verschnaufen. Indem sie vorgaben, einen Stapel umzusetzen, konnten sie geradezu die Hände in den Schoß legen. Keine Kräfte vergeuden, sich nicht auspumpen – das war schon etwas wert. Zwei von uns standen natürlich Wache, ob nicht gerade ein SS -Mann oder ein Kapo kam. Man mußte wachsam sein. Die Arbeit in einem überdachten Raum war zu dieser herbstlich-winterlichen Zeit eine wahre Wohltat; sie war der Wunschtraum von fast jedem neuen Häftling. Vor allem, weil sich Regen und Schnee äußerst unangenehm bemerkbar machten.
    Am dritten Tag, als mich die schon länger dort arbeitenden Häftlinge näher kennengelernt hatten, führten sie mich zum »Versteck« des Magazins. Es handelte sich um einen Unterschlupf, den man in einer Ecke des Lagerschuppens aus Säcken gebaut hatte. In dem nach allen Seiten hin durch Säcke abgeschirmten kleinen Winkel wurde auf einem kleinen Ofen gekocht. Das Ofenrohr führte zu einem der Fenster. Einer der Mithäftlinge griff nach einer Marme ladenbüchse und fischte ein Stückchen gekochtes Fleisch heraus. Ich war überrascht. Ein älterer Häftling zog ein Messer aus einem Versteck und schnitt das Fleisch in zehn Teile. Alle Arbeiter aus dem Magazin und der Vorarbeiter bekamen ein Stück. Für jeden einzelnen fiel nicht viel ab, aber es war ein Happen, den ich dankbar entgegennahm und rasch aufaß. Das Fleisch schmeckte seltsam. Es war irgendwie zu schwach gesalzen, etwas süßlich, aber es stillte den Hunger.
    Abb.  5
    KZ Auschwitz. Registraturfoto des Verfassers.
    Es stand mir nicht an zu fragen, was das für Fleisch sei und woher sie es organisiert hatten, aber der ältere Häftling befriedigte meine Neugier und meinte: »Na ja, wir haben nicht immer das Glück, so eine Katze zu fangen, aber diese war wirklich besonders groß. Stimmt’s Jungs?« Und dabei blinzelte er dem neben ihm stehenden Gefährten zu. Die anderen unterdrückten ein Grinsen und verbargen ihr Gesicht. Ich verstand das nicht recht – eine Katze und so ein Fleisch? Ohne Knochen und Knorpel? – überlegte ich. Das mußte wirklich ein großer Kater gewesen sein. Doch vielleicht hatten sie … Ach was, es war unwichtig! … Nur gut, daß mein Bauch nicht mehr ganz so leer war, denn der Hunger brachte die Eingeweide furchtbar durcheinander. Am nächsten Tag kochten die Kollegen aus dem Magazin ein paar irgendwo organisierte Kartoffeln, und dann verteilten sie eine rohe Rübe. Diese zusätzlichen, wenngleich nicht immer schmackhaften Portionen gaben mir dennoch Kraft. Außerdem gelangte ich zu der Überzeugung, daß man selbst unter den entsetzlichen Bedingungen auf dem Bauhof überleben konnte, und daß zumindest eine kleine Hoffnung bestand.
    Doch diese Überzeugung war ein Irrtum. Beim nächsten Ausmarsch des Bauhof-Kommandos zur Arbeit kamen mehrere SS -Leute sowie zwei Häftlinge mit den schwarzen Armbinden »Arbeitsdienst« und »Arbeitseinsatz« auf die Gruppe zu. Wir standen gerade vor dem Haupttor. Ehe ich mich versah, wurde ich zusammen mit anderen aus der Reihe herausgegriffen und zu einer anderen, seitlich von uns stehenden Kolonne getrieben. Der Kapo dieser Gruppe notierte im Beisein eines SS -Mannes unsere Häftlingsnummern und befahl uns, zu den nächsten Fünferreihen aufzurücken. Dann kam der Befehl »Im Gleichschritt marsch!« Die Gruppe setzte sich in Bewegung und verließ das Tor. Sogleich nach dem Verlassen des Lagers umringten uns SS -Leute mit Karabinern auf den Schultern; einige führten Hunde an der Leine. Die überraschende Wende, zu der es durch meine Einweisung in die neue Gruppe gekommen war, ließ offen, wohin es ging und was ich machen würde. Erst während des Marsches erfuhr ich, daß das Kommando am Fluß Sola eingesetzt war und Sola-Grube hieß. Das sagte mir aber nichts. Ich marschierte mit den andern und war bemüht, mich mit meinen Holzpantinen dem Schritt der vor mir gehenden Häftlinge anzupassen. Auf dem unebenen Weg war nur das Geklapper der Pantinen zu hören, von Zeit zu Zeit unterbrochen durch die Rufe des Kapos: »Gleichschritt halten, verflucht noch mal!« »Links, links, links …«
    Nach einem etwa halbstündigen Marsch hatten wir unseren Arbeitsplatz erreicht. Dort stand ein Holzschuppen, in dem Kreuzhacken und Schaufeln lagen. Daneben standen Schubkarren. Die Geräte wurden unter den Häftlingen verteilt. Ich bekam eine Schaufel und wurde denjenigen zugeteilt, die die Schubkarren am Flußufer

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