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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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mich große Anstrengung, alles wieder in Ordnung zu bringen. Während der Arbeit am Fluß zog ich in der Latrine, vor den Blicken der SS -Leute und Vorarbeiter verborgen, Kleidung und Unterwäsche aus, um sie zu waschen. Die nassen Kleidungsstücke zog ich natürlich wieder an, damit die Aufseher nichts merkten. Das alles mußte ich durchstehen, um weiter leben zu können. Vielleicht beruht das Leben eben darauf, daß man das erträgt, was ungut, schlecht und schwierig ist. Man mußte sich selbst bezwingen, zumindest den Ekel, den man vor sich selbst empfand.
    Der Durchfall hörte nicht auf, ich konnte ihn nicht überwinden. Ich hatte Angst, mich im Krankenbau zu melden. Alle warnten, daß man dort fertiggemacht würde. Kwiatkowski, den ich beim Appell in der Reihe vor mir entdeckte, riet mir flüsternd: »Du mußt dich aushungern, dann verschwindet das.« Doch wie sollte ich mich aushungern, da ich doch ständig hungrig war! Ein älterer Häftling, der schon länger im Lager saß, gab mir einen anderen Rat: »Trink weniger, vor allem keine ›Avo‹ und keine Suppe«, sagte er. »Und das Brot mußt du so rösten, bis es fast verkohlt ist. Erst gut getrocknet, darfst du es kauen.« Während der Arbeit war es schwierig, das Brot zu rösten, aber ich hatte Glück. Es gelang mir, einen Vorarbeiter zu überzeugen, der meine Bitte erhörte. Er erlaubte mir, während der Pause die Brotscheiben im Werkzeugschuppen, wo ein Ofen stand, zu rösten. Dafür mußte ich ihm ein Stück Brot abgeben; anders war nichts zu machen. Die gut durchgerösteten Brotscheiben und Krusten begann ich langsam zu kauen. Zwei Suppenportionen tauschte ich gegen eine halbe Scheibe Brot ein. Ein anderer Häftling gab mir für zwei Portionen »Avo« ein Stückchen schmierigen Käse. Den tauschte ich wieder gegen ein Stück Brot ein. So brachte ich meinen Magen allmählich zum Austrocknen.
    Trotz der Entkräftung mußte weiter mit der Schaufel gearbeitet werden. Manchmal mußten wir im Wasser stehen, um neuen Kies aus dem Fluß zu fördern. Die besohlten Schuhe hatte man uns nicht wegen des besseren Aussehens gegeben. Nach zwei Tagen ließ der Durchfall nach. Langsam begann ich, wieder mehr Flüssigkeit zu mir zu nehmen. Ich hatte aber weiterhin Magenschmerzen und fühlte mich sehr geschwächt.
    Der Sonntag war für unser Kommando arbeitsfrei. Ich hoffte, daß ich etwas zu Kräften kommen würde. Aber nach dem Morgenappell mußten die Neuzugänge auf dem Platz vor der Küche antreten. Mehrere Kapos teilten uns mit, daß sie uns Gesang beibringen würden. Wir sollten das Lied »Im Lager Auschwitz war ich zwar …« lernen.
    Wir versuchten, uns den Text einzuprägen, aber die von den Deutschen ausgesprochenen Worte waren verdreht und unverständlich. In Fünferreihen aufgestellt, bekamen wir den Befehl, beim Marschieren zu singen. Wir durchmaßen den ganzen Platz hin und zurück. Wer von den Häftlingen aus dem Tritt geriet oder nicht laut genug zu singen vorgab, bekam von den wachsamen Kapos eins mit dem Knüppel über den Kopf. Es gab mehrere Strophen des idiotischen Liedes. Den ganzen Vormittag hindurch wurde uns das Singen »beigebracht«. Anstatt uns nach der ganzen Woche eine Erholung zu gönnen, wurde uns die Freizeit auf diese Weise »abwechslungsreicher« gestaltet.
    Abends im Block, als alle schon ausgezogen waren und kreuz und quer auf dem Fußboden lagen, kurz vor dem Ausschalten des Lichts, vernahmen wir vom Flur her das Gebrüll des Blockältesten Bednarek: »Alles raus!« Im Raum kochte es vor Wut. Alle sprangen auf und streiften hastig ihre Kleidung über. Mit Schuhen, Mützen und Mänteln in den Händen eilten wir – angetrieben von den Reitpeitschen und Knüppeln der Stubenältesten – auf den Flur des Blocks. Ich wußte nicht, was los war. Einer der Häftlinge klärte mich auf. Wer schmutzige Kleidung, schlecht angenähte Nummern oder verdreckte Holzpantinen oder Schuhe hatte, wurde verprügelt und bekam eine Strafmeldung.
    Meine Schuhe waren nicht besonders sauber. Daher versuchte ich, mich durch die auf dem Flur versammelten Häftlinge zum Waschraum durchzudrängen, um meine Schuhe feucht abzuwischen. Als ich dem Waschraum schon ganz nahe war, stieß ich direkt auf den Blockältesten. »Aha, dreckige Schuhe! Du Scheißkerl, ich werde es dir zeigen!« Und aus voller Kraft schlug er mir rechts und links ins Gesicht, so daß ich mit dem Hinterkopf an die Wand prallte und halb betäubt zu Boden sackte. Er versetzte mir noch ein paar

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