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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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um. In der Nähe war weder ein SS -Mann noch irgendeiner der Lagersadisten zu sehen. Wir gingen um die Ecke eines Blocks.
    »Du warst sicher bei den Pfadfindern«, leitete ich das Gespräch ein. »Ich war draußen nämlich Pfadfinder. Und ich vertraue nur einem Pfadfinder«, sagte ich, gleichsam als wolle ich ihn überzeugen, daß er mir vertrauen könne. Gleichzeitig aber auch, als wolle ich sichergehen, daß er mich nicht enttäuschen werde. »Teddy« begann zu lächeln. »Ich war Pfadfinder und Sportler. Das hat für mich mehr zu bedeuten, als du ahnst.« Etwas beruhigt, zog ich vorsichtig meinen Schatz aus der Tasche. »Teddy« stieß einen begeisterten Pfiff aus. »Ist das aber eine feine Uhr«, meinte er. »Da hast du aber Glück gehabt, was?« Er blickte mich anerkennend an. »Was willst du dafür haben?« fragte er mich nüchtern. Ich war überrascht. Ich wußte nicht, was ich ihm sagen sollte. Am Ende brachte ich stotternd heraus: »Ich möchte in einem guten Kommando arbeiten. Da, wo ich jetzt bin, halt ich es nicht länger aus«, erklärte ich ihm.
    »Teddy« betrachtete mich eingehend. Ich mußte sehr heruntergekommen aussehen, denn in seinen Augen entdeckte ich keinerlei Anerkennung. In einem guten Kommando konnten nur solche arbeiten, die durch ihr Aussehen und ihr Verhalten etwas darstellten. »Na gut«, sagte »Teddy«. »Und in welches Kommando möchtest du? Was meinst du selber?« »In die Küche«, gab ich zurück, ohne lange zu überlegen. In der Küche gab es zu essen, und ich war im Lager stets hungrig.
    »Teddy« lachte auf: »Na gut; ich verstehe. Aber du hast keine niedrige Nummer. Es wird schwer sein. Wir versuchen es. Gut, ich geh zu Leo. Der ist Kapo in der Küche, ein Pole aus Poznań. Es wird allerdings etwas dauern.« »Soll es ruhig dauern. Hauptsache, du erledigst es«, warf ich rasch ein. »Woher stammst du, und wo arbeitest du?« fragte mich »Teddy«. »Aus Częstochowa«, gab ich zurück. »Und seit zwei Tagen arbeite ich als Schreiber bei den Judentransporten. Ich hab genug davon.« »Ach so! Na dann ist alles klar«, meinte mein neuer Gönner. »Eine Woche oder auch zehn Tage wirst du dich gedulden müssen, bis ich Gelegenheit zu einem Gespräch in der Küche habe. In Ordnung?« »In Ordnung«, antwortete ich und überreichte »Teddy« die Uhr. »Such mich nächste Woche im Block 24 . Halt die Ohren steif!« »Teddy« verabschiedete sich mit dem Pfadfindergruß, und ich gab ihn zurück. Ich fühlte mich irgendwie beruhigt. Ich hatte die »heiße Ware«, die mir große Sorgen bereiten konnte, nicht mehr bei mir. Und wie es weiterging, mußte man halt sehen. »Teddy« war ein Pfadfinder. Ich kannte ihn zwar nicht näher, aber er würde mich wohl nicht enttäuschen. Ich vertraute ihm.
     
    Am nächsten Tag, als ich mich bei meiner Zehnergruppe der Schreiber meldete, erfuhr ich, daß wir an diesem und am nächsten Tag im Lager bleiben sollten. Ein Funktionshäftling vom Arbeitseinsatz wies uns Arbeit innerhalb des Lagers zu. Ich bekam Besen, Schaufel und Eimer und sollte die Verbindungswege des Lagers und zwischen den Blocks fegen. Das war keine schwere Arbeit. Man mußte nur höllisch auf die ständig im Lager herumschwirrenden SS -Leute und verschiedene Blockälteste aufpassen. Und man mußte mit dem Besen so herumfuchteln, daß man sagen konnte, der Häftling arbeite.
    Es war ein heißer Hochsommertag in der ersten Julihälfte des Jahres 1942 . Die Sonne stach unbarmherzig. Gleich nach dem Ausmarsch der Arbeitskommandos erblickte ich eine Gruppe von Häftlingen, die von Palitzsch zum Block 11 geführt wurden. Die Blockältesten befahlen uns, sofort in den nächsten Blocks zu verschwinden. Es wurde Blocksperre verhängt. Nachdem die Verurteilten vorbeimarschiert waren, jagte man uns wieder zum Fegen der Lagerwege. Ich hantierte mit dem Besen, aber meine Gedanken waren bei denen, die man zum Block 11 gebracht hatte. Sie waren wie Schlachtvieh dahingezogen, ohne Kampf, ohne Auflehnung. Vielleicht hatten sie sich innerlich nicht damit abgefunden, daß das nun das Ende sein sollte, aber ein unbewaffneter Aufruhr konnte den Tod nur beschleunigen. Das ließ mir keine Ruhe.
    Mich verfolgte der Gedanke, daß alle zur Lagerhaft verurteilten Häftlinge darauf warteten, wann sie an die Reihe kämen, wann man sie abholen und erschießen würde. Ich konnte mir meinen Tod nicht vorstellen, obwohl ringsum alles davon erfüllt war. Trotz der bohrenden Unruhe und Ungewißheit wies ich den Gedanken

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