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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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die Wunde heilte gut. Ich bohrte also die angezeichneten Löcher in die Tragkonstruktion der Flügel und die Befestigungslöcher im Blech, und obwohl das wegen des Fingers nicht so schnell ging, schaffte ich es in der vorgeschriebenen Zeit. Mein Meister mit der schwarzen Tolle freute sich über meine Rückkehr und steckte mir bei passender Gelegenheit wieder eine Scheibe Schwarzbrot mit Schmalz zu. Er machte das so geschickt, daß seine Kollegen nichts merkten. Er war ganz bestimmt ein anständiger Deutscher, der uns Häftlingen aufrichtiges Mitgefühl entgegenbrachte und uns mit seiner Hilfe gleichsam zu verstehen geben wollte, daß nicht alle Deutschen Nazischergen waren.
    Nebenan auf der Nachbartraverse arbeitete ein französischer Häftling, ein attraktiver, ziemlich großer junger Mann. Von einem Kollegen erfuhr ich, daß er Priester war. Er hatte angeblich den Partisanen der Résistance geholfen und war deshalb ins Lager gekommen. Nun fügte es sich so, daß er seine Arbeit beendet und sein Werkzeug weggeräumt haben mußte, damit ich seine Montagebrücke übernehmen konnte. Er war stets heiter, und wenn er sich mit seinen Handgriffen an der Tragfläche etwas verspätete und den viertelstündigen roten Strich überschritt, lächelte er und … zwinkerte mir vielsagend zu. Na klar! Arbeiten mußte man eben, aber nicht zu schnell.
    Der nächste Luftangriff in unserem Gebiet fand am Tag statt. Es war ein schwerer Angriff, der ziemlich lange dauerte. Von der Halle in die Baracken getrieben, vernahmen wir das Pfeifen der herabsausenden Bomben und die Einschläge, aber nur zwei fielen in der Nähe der Halle nieder und richteten keinen größeren Schaden an. Nach der Entwarnung qualmten im Westen und im Norden in Brand gesetzte Objekte. Am nächsten Tag erfuhren wir von Paul, der mit Deutschen in Berührung kam, daß die benachbarten Fabriken, in denen ebenfalls Häftlinge aus Buchenwald arbeiteten, schwer beschädigt worden waren. Etwa 20  Häftlinge waren ums Leben gekommen. Eine Bombe hatte auch das Wirtschaftsgebäude der Munitionsfabrik »Hasag« zerstört. Die Verluste waren erheblich, und die Deutschen liefen wütend herum. Die Zerstörung auch nur einer der Zulieferfabriken für Flugzeugteile legte die ganze Produktion lahm.
    Bei uns aber wuchs die Hoffnung, daß der Krieg schneller zu Ende gehen und wir endlich befreit würden. Die Russen machten keinen Hehl aus ihrer Zufriedenheit. »Naplewat Germanzom«, sagten sie. Abends hörte man aus den Baracken, in denen sie eine geschlossene Gruppe bildeten, lauten Gesang. Die melodischen Soldaten- und Volkslieder hielten sie bei guter Laune. Ich lag in einer Baracke, in der außer Russen auch Franzosen und einige Tschechen untergebracht waren. Die Polen, darunter J. Potrzebowski, L. Gluza und T. Szwarc, sangen »Obwohl das Gewitter rings um uns grollt …«, den »Roten Gürtel« und schließlich »Gott, der Du Polen …« Es war eine eigenartige Szenerie, als plötzlich wieder die Sirenen aufheulten, in der Nähe unserer Baracken Bomben zu fallen begannen und wir aufrührerische Lieder sangen. Die Einschläge wurden immer schwerer.
    Vielleicht half uns der Gesang, die Angst zu überwinden. Irgendwie lauerte bei jedem in einem geheimen Winkel seines Herzens die Furcht, wahrscheinlich zitterte jedem beim Singen die Stimme, denn es konnte doch sein, daß eine Bombe die Baracke traf und wir in die Luft flogen. Doch wir waren zum Äußersten entschlossen, wir sangen trotz alledem – machtlos, von Stacheldraht umgeben, auf freiem Feld, dicht neben einem großen Objekt wie unserer Fabrikhalle, die ein ausgezeichnetes Ziel für die Flieger bot. Wir hatten keine andere Möglichkeit, die Angst zu unterdrücken. Aber wir wurden nicht getroffen. Nach der Entwarnung flackerte roter Feuerschein durch die Fenster. Wir stürzten an die Fenster und entdeckten, daß zur »Hasag« hin rote Flammen zum Himmel aufloderten. Es war ein wunderschöner, wenngleich entsetzlicher Anblick. Von den brennenden Objekten stiegen mehr als 30  m hohe Funkengarben auf. Endlich hatten die Alliierten ihre Luftangriffe verstärkt. Endlich hatten sie begonnen, der faschistischen Bestie tüchtig zuzusetzen. Weil keine Teile angeliefert wurden, mußte die Produktion unserer Fabrik eingestellt werden.
    Doch unsere Freude war verfrüht. Die Deutschen hatten hervorragend organisierte Feuerwehrzüge und Einsatzkommandos zur Beseitigung von Zerstörungen. Nach zwei Wochen waren die Arbeitsplätze in

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