Aus der Hölle zurück
Sicht versperrten. Ich zog Kluft und Schuhe an, sprang auf die Pritsche unter mir, und dann gab es Schwierigkeiten. Die Gänge zwischen den Pritschen waren durch Menschen versperrt, von denen die einen zur einen Seite und die andern in die entgegengesetzte Richtung drängten. Es gelang mir, über die mittlere Pritsche zum breiten Hauptdurchgang durchzuschlüpfen, der zum Ausgang in Richtung des Fabrikbereiches führte. Der Ausgang war verschlossen. Ich kehrte also um, gemeinsam mit anderen, die in dieselbe Richtung strebten. Zum Waschraum konnte man nicht durchkommen; Feuersäulen und schwarzer, beißender Qualm versperrten den einzigen Durchgang. Ich hatte Angst, mich in dieses Feuer und diesen Rauch hineinzuwagen.
Unter furchtbaren Schreien stießen die Häftlinge, die die Richtung verloren hatten, in die sie gehen wollten, aufeinander. Ringsum Qualm und von überall her die aufflackernden Feuerflammen, die die Strohsäcke und hölzernen Pritschen verzehrten. Die zerschlagenen Fensterscheiben bewirkten, daß sich das Feuer rasch weiter ausbreitete. Zwischen zwei dichten Rauchwolken bemerkte ich mehrere Hälftlinge, die Bänke auf die Tische gestellt hatten und versuchten, die Gitter in den Fenstern mit hölzernen Schemeln zu lockern.
Von außen her fielen Schüsse aus Maschinenpistolen. Es gab keine Zweifel, die SS -Posten schossen. Auf der rechten Seite des Kellers gab es ein eisernes Tor, das nur selten geöffnet wurde. Eine Gruppe von Häftlingen packte einen langen hölzernen Tisch und wollte wie mit einem Rammbock das Hindernis beseitigen, doch ohne Erfolg. Eine neue Salve traf mehrere Kameraden, die sich verzweifelt an den Gittern festkrallten. Es wurde sehr heiß und stickig, man bekam keine Luft mehr zum Atmen. Um frische Luft zu schöpfen, mußte man trotz alledem, trotz der Schüsse, auf den Tisch steigen und sich an das offene Fenster drängen.
Ich konnte mich nicht entscheiden. Ich quetschte mich hilflos in einer Gruppe von Häftlingen herum, in der einer auf den andern stieß. Wir riefen um Hilfe, aber Hilfe gab es nicht. Ich stolperte über einen am Boden liegenden Körper, über einen zweiten, einen dritten …
Der Rauch war mit dem Gestank brennender Leiber geschwängert. Ich konnte überhaupt nichts mehr sehen, ich rang nach Luft. Blindlings im Qualm umhertastend, stieß ich auf einen Tisch, auf den man eine große Bank gestellt hatte. Darauf standen mehrere Häftlinge und versuchten, mit einer anderen, hoch über den Köpfen erhobenen Bank das Fenstergitter herauszubrechen. Andere bemühten sich, von unten her den Tisch zu erreichen. Einer stieß den andern beiseite. Es gelang mir, auf die Bank zu steigen und mich denjenigen anzuschließen, die mit der Bank das Gitter bearbeiteten. Zusammen mit den andern bot ich die letzten Kräfte auf, um das Gitter zu lockern, aber das glückte nicht. Nach einem weiteren Schlag mit der Bank fielen mehrere Häftlinge hinunter …
Vier von uns auf dem Tisch blieben übrig. Die Schüsse von außen hörten auf, der Rauch war zu dicht. Obwohl uns das Gitter von draußen trennte, bekamen wir trotz der uns einhüllenden Rauchwolken etwas Luft. Das Gitter befand sich dicht über unseren Köpfen. Noch einmal versuchten wir, es mit der hoch erhobenen Bank einzurammen, doch leider … Aus unserer Position heraus war die Schlagkraft zu gering, um die einbetonierten Eisenstäbe herauszubrechen. Als wir die Bank absetzten, rissen andere sie uns von unten her aus den Händen, und ich merkte, wie der Tisch unter meinen Füßen ins Wanken geriet.
Beinahe hätte ich das Gleichgewicht verloren, denn der Tisch wechselte erneut seinen Stand. Ich ließ die Bank los und griff instinktiv mit einer Hand nach dem Gitter. Ich hing daran, aber nicht allein. Ein Häftling hatte sich an meinem Fuß festgeklammert. Unter gewaltiger Anstrengung zog ich mich soweit hoch, daß ich auch mit der anderen Hand das Gitter packen konnte. Plötzlich erreichte mich eine neue Welle glühend heißer Luft, von Rauch und Flammen. Ich schrie vor Schmerz. Nach einiger Zeit ließ die Hitze nach. Auch der Griff an meinem Fuß wurde lockerer, hörte dann ganz auf. Der Häftling muß am Rauch erstickt sein – sagte ich mir. Hinter meinem Rücken war weiterhin das Knistern der brennenden Pritschen und Strohsäcke zu hören. Ich vernahm immer weniger Schreie und Rufe. Mich krampfhaft festhaltend, hing ich an dem Gitter.
Die Hitze nahm ununterbrochen zu, eine glühend heiße Welle umhüllte meinen Kopf
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