Aus der Hölle zurück
Füßen. Viele hatten Verbrennungen am Bauch oder – wie ich – auf dem Rücken. Von den offenen Wunden und den dreckigen Leibern ging ein entsetzlicher Gestank aus. Das lauwarme, später etwas heißere Wasser aus den Duschen spülte den Schmutz fort und milderte Schmerzen und Leiden, die Wunden aber blieben.
»He, du aus Auschwitz, komm mal her!« In der Tür des Baderaums erschien der Pfleger Janusz. Nur mühsam schleppte ich mich zum Behandlungszimmer. Dort befanden sich zwei SS -Leute und mehrere Häftlingspfleger, die die frisch Gewaschenen und leichter Verwundeten versorgten. »Mann, du bist aber durchgebraten! Verflucht noch mal!« meinte Janusz. »Ich weiß nicht, Tadek, ob du das überstehst.« Derjenige, der mich vom Lastwagen hergeschleppt hatte, unterbrach ihn: »Hör auf zu quatschen. Gib lieber etwas von dem Pulver. Es reicht sowieso nicht für alle.« Mit dem Gesicht von ihnen abgewandt, konnte ich nicht sehen, was sie mit meinem Rücken machten. Es tat nur furchtbar weh, so daß ich laut aufstöhnte.
»Na, na, brüll nur nicht los! So eine hundsfötische Wunde, verflucht noch mal«, meinte der zweite, und ich wurde ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Bauch, und die polnischen Pfleger verbanden ringsherum meinen Körper. Dann wandten sie sich dem Kopf zu, der vom Gewehrkolben zertrümmert war, und schließlich widmeten sie sich meinen Händen. Der linke Handrücken war fast ganz verbrannt. Unter der verkohlten Haut und den Muskeln waren an einigen Stellen die Knochen zu sehen. Als die beiden fertig waren, war ich zur Hälfte in Bandagen gefesselt. Nur Augen und Mund blickten hervor. Das rechte Bein hatten sie mit einer Flüssigkeit eingerieben.
In den Krankensaal brachte mich derjenige, der mich vom Wagen getragen hatte. Er hieß Tadeusz, genauso wie ich. Erst als ich auf der Pritsche lag, merkte ich, daß ich furchtbar hungrig war. Es war gegen Abend. Die Zugänge bekamen, wie überall, am Tag ihrer Ankunft nichts zu essen. Tadeusz hatte sich das wahrscheinlich gedacht, denn er zog eine halbe Scheibe Brot mit Margarine aus der Tasche und gab sie mir. Ich dankte ihm mit einem Kopfnicken. In den Saal wurden immer mehr andere Unglücksraben aus Mülsen gebracht.
Die erste Nacht war entsetzlich. Die meisten wimmerten vor Schmerz, einige riefen um Hilfe, andere baten um Wasser, aber bis zum Morgen ließ sich niemand blicken. Ich wimmerte ebenfalls. Ich konnte nur auf der linken Seite liegen. Ich hatte Fieber und konnte nur mühsam einschlafen.
Am nächsten Tag erschien der SS -Arzt Schmitz im Saal. Er trat an jede Pritsche und gab den ihn begleitenden Pflegern Anweisungen. Die nächsten Tage waren fürchterlich. Der SS -Arzt traf – bei Fällen mit seiner Ansicht nach hoffnungslosen Verbrennungen – Entscheidungen über die Amputation eines Fußes oder einer Hand. Unter den Kranken herrschte Angst und Schrecken. Alle wußten, daß ein Versehrter im Lager nicht mehr lange zu leben hatte.
Unterdessen operierte und amputierte der SS -Scherge munter drauflos, gleichgültig, ob es notwendig war oder nicht. Er übte sein Handwerk an lebenden Häftlingen. Oft kam er vom Schnaps angeregt in den Saal. Allein dank Tadeusz überlebte ich die ersten Tage im Krankenbau von Flossenbürg. Viele andere Verwundete und Verbrennungsverletzte starben.
Mein Rücken und meine linke Hand waren weiterhin gefährdet. Ich hatte Angst, man werde mir die Hand amputieren. Sie wollte nicht heilen, aber Tadeusz sagte, der Rücken sähe schlimmer aus. Eines Abends tauchte er unerwartet bei mir auf und sagte, ich sollte ihn begleiten. Er ging mit mir in die im Krankenbau gelegenen Räume des SS -Arztes, dem dort ein Bad zur Verfügung stand. Tadek ließ lauwarmes Wasser in die Wanne laufen, schüttete Kaliumpermanganat hinein, wickelte meine Verbände ab und hieß mich hineinsteigen. Das violettfarbene Wasser sollte mir Erleichterung verschaffen und die Wunden desinfizieren.
Mein Betreuer schloß mich im Bad ein und sagte: »Du bleibst jetzt zwei, drei Stunden da drin liegen, und entweder kriegen wir dich hin, oder aber der Teufel soll dich holen!« Das letzte brummte er leise vor sich hin, während er verschwand. Ich lag in einem Konzentrationslager in der Wanne! Das schien vollkommen unglaublich zu sein und war doch wahr. Tadeusz hätte mich bestimmt nicht in die Wanne gepackt, wenn das nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Es war riskant, aber mir war alles egal. Ich verließ mich restlos auf die
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