Aus der Welt
meiner Einweisung in ein hiesiges Irrenhaus zustimmte. Aber das würde den Staat Montana Geld kosten – und sie hatten bestimmt schon gemerkt, dass ich nur ein Problem für mich selbst darstellte …
Behaltet sie noch sechsundzwanzig Tage und dann tschüs, auf Wiedersehen.
Nachdem ich die Formulare unterschrieben hatte, gab ich sie Spender zurück.
»Danke«, sagte er. »Ich hoffe aufrichtig, dass es Ihnen bald besser geht.«
Nachdem er weg war, kehrte Schwester Rainier mit einem Frühstückstablett zurück, auf dem sich ein wässriges Omelett, Toast und Tee befanden.
»Unser Finanzheini sagt, Sie spielen Greta Garbo, wollen alleine sein und mit niemandem reden.«
Ich sah weg, so wie Emily weggesehen hatte, wenn ich sie aus irgendeinem Grund schimpfte. Dieser Gedanke ließ mich erneut zusammenzucken, was auch Schwester Rainier nicht verborgen blieb.
»Das tut weh«, sagte sie leise.
»Was?«
»Das. Dieser unaussprechliche Vorfall. Denn wenn man anfängt, darüber zu reden, bricht man zusammen. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche.«
»Wieso?«
»Mein Sohn Jack hat sich mit seinem Motorrad um einen Baum gewickelt, als er achtzehn war. Das ist jetzt vierundzwanzig Jahre her. Er war mein einziges Kind.«
Ihre Stimme klang fest – sie gab nur die Fakten wieder, verriet keinerlei Gefühl. Ich ließ ihre Worte auf mich wirken.
»Wie sind Sie darüber hinweggekommen?«, fragte ich.
Sie sah mir direkt in die Augen – ein Blick, dem ich nicht ausweichen konnte. Schließlich sagte sie: »Das tut man nie.«
2
Sie behielten mich noch genau sechsundzwanzig Tage im Krankenhaus. Währenddessen blieb ich die einzige Patientin auf der psychiatrischen Station. Hier war – wie Schwester Rainier nicht müde wurde, zu betonen – wirklich nicht viel los. Ich musste täglich zur Physiotherapie. Nachdem mein Orthopäde beim wöchentlichen Kernspin feststellte, dass das gebrochene Schienbein schnell geheilt war, wurde es Zeit, dass ich wieder versuchte, zu laufen.
Das war etwa vierzehn Tage nach meiner Einlieferung, in denen ich das gesamte Personal des Mountain Falls Regional kennengelernt hatte. Der Orthopäde hieß Dr. Hill. Der Augenchirurg Dr. Menzel. Und die Seelenklempnerin Dr. Ireland.
Dr. Menzel war Ende fünfzig. Er erzählte mir, dass er Mitte der 1970er-Jahre aus der Tschechoslowakei nach Kanada ausgewandert sei, und hatte immer noch einen beträchtlichen osteuropäischen Akzent. Aber er gab sich ganz amerikanisch mit Westernkrawatte und Cowboystiefeln. Er war relativ gesprächig und sagte, dass er zehn Jahre in Calgary gearbeitet, aber 1989 Urlaub in Montana gemacht und sich sofort in das Land, das Licht, seine Erhabenheit und Weite verliebt habe.
»Werde ich irgendwann in der Lage sein, Montana mit meinem linken Auge zu sehen?«, fragte ich.
»Es wird mindestens vier bis sechs Monate dauern, bis alles verheilt ist. Wir mussten nach Ihrer Einlieferung mikrochirurgisch arbeiten, aber es ist uns gelungen, alle Splitter zu entfernen. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit. Das Auge ist das regenerativste Organ überhaupt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie achtzig Prozent Sehvermögen wiedererlangen werden, wenn nicht sogar hundert Prozent. Als Arzt muss man vorsichtig sein, man darf keine Wunder versprechen. Aber in Ihrem Fall sind achtzig Prozent Sehvermögen ein Wunder.«
Dr. Menzel untersuchte mich zweimal die Woche. Ich wurde mit dem Rollstuhl in sein Büro gebracht, der Verband wurde entfernt, und dann legte ich meinen Kopf in eine Art Visier, während er tief in mein linkes Auge starrte, um die Verletzungen zu untersuchen, die ich mir zugefügt hatte. Er war stets zum Reden aufgelegt und schien sich nicht daran zu stören, dass ich nur wenig zur Unterhaltung beitrug. So erfuhr ich von der kleinen Ranch, die er unweit von Mountain Falls besaß, dass er in seiner Freizeit Pferde züchtete und seine zweite Frau als Krankenschwester gearbeitet hatte, jetzt aber eine florierende Massagepraxis besaß; dass seine Tochter gerade auf die Stanford University gekommen sei und als solches Mathegenie gelte, dass sie ein Vollstipendium bekommen hätte; dass er in seiner Freizeit malte – »hauptsächlich abstrakt, im Stil von Mark Rothko, und ich glaube, Rothko könnte Ihnen gefallen.«
Warum? Weil er ebenfalls versucht hat, sich umzubringen … aber damit letztlich erfolgreich war?
»Wenn Ihnen danach ist, dann kommen Sie doch einfach mal zum Abendessen auf unsere Ranch. Wir haben hier nämlich
Weitere Kostenlose Bücher