Aus der Welt
hoffe sehr, dass ich Sie nicht wieder verstört habe.«
»Sie waren sehr freundlich«, sagte ich.
»Und es wird Ihnen besser gehen, vertrauen Sie mir.«
Ich wurde auf die Station zurückgeschoben. Schwester Rainier war da, um mich zu begrüßen.
»Sieh mal einer an«, sagte sie. »Sie sehen fast wieder aus wie ein Mensch.«
Sobald ich wieder im Bett lag, sagte Schwester Rainier: »Jetzt können wir Sie wieder festgurten und künstlich ernähren. Oder aber wir einigen uns darauf, dass Sie brav mitspielen. Dann können wir uns die Gurte sparen und Ihnen feste Nahrung anbieten. Was ist Ihnen lieber?«
»Letzteres, bitte.«
»Gern – aber bevor wir Sie füttern, müssen Sie leider ein paar Minuten mit jemandem von der Krankenhausverwaltung sprechen. Er hat jede Menge Formulare für Sie, die ausgefüllt werden müssen.«
Der Verwalter war ein kleiner, eiskalter Mann mit einem Namensschildchen an seinem grauen Anzugjackett, dem ich entnahm, dass er Spender hieß.
»Miss Howard«, sagte er und begrüßte mich mit einem kurzen Nicken. Dann stellte er sich als Sachbearbeiter des Krankenhauses vor.
»Es dauert nur ein paar Minuten«, sagte er. »Ich habe nur ein paar grundsätzliche Fragen an Sie, falls Sie überhaupt sprechen können.«
»Gut«, sagte ich.
»Als Sie eingeliefert wurden, konnten wir Sie nicht zu Ihrer … äh … Krankenversicherung befragen. Zunächst brauchen wir Ihre Adresse. Ist sie noch dieselbe, die auch in Ihrem Führerschein eingetragen ist?«
»Ich wohne nicht mehr dort«, sagte ich.
»Wie lautet dann Ihre neue Adresse?«
»Ich habe noch keine.«
»Wir benötigen eine Anschrift von Ihnen, Miss Howard.«
»Dann nehmen Sie die vom Führerschein.«
»Gut. Ihr … Familienstand?«
»Ledig.«
»Familienangehörige?«
Ich schloss mein gutes Auge und spürte, wie alles wieder hochkam.
»Keine«, sagte ich schließlich.
»Beruf?«
»Ich war Universitätsdozentin.«
»War.«
»Ich habe gekündigt.«
»Aber die New England State University sagte mir …«
»Wenn Sie mit meinem Arbeitgeber gesprochen haben, warum fragen Sie mich dann, welchen Beruf ich habe … hatte ?«
»Das ist der ganz normale Ablauf.«
»Ablauf? Das ist ein Ablauf?«
Spender fühlte sich sichtlich unwohl.
»Das ist bestimmt nicht leicht für Sie, Miss Howard. Aber ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn …«
»Ja, ich bin Dozentin an der New England State University.«
»Danke. Und haben Sie irgendwelche Angehörigen, die wir verständigen müssen?«
»Nein.«
»Wirklich?«
»Ich sagte Nein.«
Schweigen.
Dann: »Wir haben die Versichertenkarte in Ihrem Geldbeutel gefunden und festgestellt, dass Sie über die New England State University krankenversichert sind. Doch versicherungsrechtlich ist der Krankenhausaufenthalt für einen psychisch bedingten Unfall auf maximal achtundzwanzig Tage beschränkt. Außerdem muss der Patient für die ersten 2000 Dollar selbst aufkommen. Wie Sie sich sicher vorstellen können, erforderten Ihre Verletzungen eine aufwendige medizinische Behandlung, nicht zuletzt die Augenoperation. Die 2000 Dollar sind also längst überschritten. Wie ich feststellte, war auch eine MasterCard und eine American Express Card in Ihrem Geldbeutel. Welche Karte soll ich mit dem Selbstbehalt belasten?«
Herzlich willkommen in den Vereinigten Staaten – hier gibt es nichts geschenkt. Aber was spielt das schon für eine Rolle? In weniger als einem Monat werde ich ohnehin tot sein.
»Egal, beide sind gültig«, sagte ich.
»Ich muss Sie bitten, jetzt ein paar Papiere zu unterschreiben. Ich weiß auch, dass ein gewisser Professor Sanders von der New England State versucht hat, Sie zu kontaktieren, sowie ein Mr Alkan, der sagte, er sei Ihr Anwalt.«
»Ich muss nicht mit ihnen reden, oder?«
»Natürlich nicht.«
»Darf ich Sie bitten, keinerlei Anrufe von draußen zu mir durchzustellen?«
Auch das gefiel Mr Spender ganz und gar nicht – und sein tadelnder Blick sagte mir, dass er mich als Problemfallbetrachtete.
»Möchten Sie nicht, dass die Menschen, die sich Sorgen um Sie machen, wissen, dass es Ihnen gut geht?«
»Nein«, sagte ich und schnitt ihm das Wort ab. »Das möchte ich nicht.«
Wieder so ein unangenehmes Schweigen.
»Sonst noch was?«, fragte ich.
»Nur Ihre Unterschrift überall dort, wo ich ein Kreuzchen gemacht habe.«
Ich machte mir nicht mal die Mühe, mir die Formulare anzusehen, obwohl ich – wie mir plötzlich klar wurde – damit aus Versehen vielleicht
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