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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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etwas geben, was mich für ein paar Stunden beruhigen würde. Irgendwie schaffte ich es, ihm zu versprechen, ruhig zu bleiben. Aber als mir die Polizistin aus dem Wagen half, ergriff ich die Flucht und schrie, dass ich Emily sehen müsse. In diesem Moment packte mich der Pfleger und nahm mich in den Schwitzkasten. Der Arzt kam mit einer Spritze und …
    Als ich aufwachte, stellte ich fest, dass schon der nächste Morgen begonnen hatte. Ich lag in einem Bett und war festgegurtet. Eine junge Schwester hatte Dienst. Sie sah sehr be troffen aus, als sie merkte, dass ich meinen wodurch auch immer erzeugten Zustand verlassen hatte.
    »Ich bin in wenigen Minuten wieder da«, flüsterte sie. Ich lag da, starrte an die Decke und dachte: Das bildest du dir bloß ein … Gleichzeitig wusste ich, dass eine Welt zusammengebrochen war. Als sie wenige Minuten später zurückkehrte, wurde sie von einem Arzt begleitet – von einem ruhigen Mann Mitte fünfzig – sowie von einer pragmatisch wirkenden Frau im gleichen Alter. Er stellte sich als Dr. Martin vor und sagte, die Frau neben ihm heiße Mrs Potholm. Sie sei von der Krisenintervention. Krisenintervention. Anscheinend gibt es strikte Vorschriften, wie man den Leuten solche Nachrichten überbringt. Vor allem Eltern. Man scheint zu glauben, dass einen die Erwähnung des Wortes Krisenintervention irgendwie auf die vernichtende Nachricht vorbereitet. Genauso gut könnte man sagen: ›Gleich werden Sie vom Dach eines zweiunddreißigstöckigen Hochhauses gestoßen‹, und dann würde schon der Stoß folgen. Der Stoß bleibt tödlich …, aber immerhin wurde man darauf vorbereitet.
    ›Miss Howard … Jane …‹, hob der Arzt an, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. ›Emily war schon tot, als Sie hier gestern Abend eingeliefert wurden. Wir haben heute Morgen eine Autopsie vorgenommen – die Todesursache war eine gebrochene Wirbelsäule sowie schwere Schädel-Hirn-Verletzungen. Ich erwähne das nur, damit Sie wissen, dass Emily auf der Stelle tot war. Sie dürfte also nicht gelitten haben. Sie …‹
    Den Rest des Satzes habe ich gar nicht mehr wahrgenommen, da ich mich abwandte und laut aufheulte. Die von der Krisenintervention versuchte, mit mir zu reden, aber ich hörte nichts. Sie versuchte, mir Vernunft beizubringen. Aber ich wollte nicht vernünftig sein. Ich wollte nur noch heulen.
    Dann rammte man mir peng! eine zweite Spritze in den Arm … und ich verlor erneut das Bewusstsein.
    Mitten in der Nacht wachte ich auf – und meine beste Freundin Christy saß an meinem Bett.
    ›Was machst du hier?‹, flüsterte ich ihr zu.
    ›Anscheinend hast du bei deiner Krankenkasse angegeben, dass man mich im Notfall verständigen soll. Genau das ist passiert. Ich habe den nächsten Flieger nach Boston genommen und …‹
    Sie begann zu weinen. Tränen strömten über ihr Gesicht. Sie versuchte, sich vor mir zusammenzureißen, aber es gelang ihr nicht. Ich hatte Christy noch nie weinen sehen – dafür war sie viel zu tough. Aber jetzt saß sie hier, weinte und befahl der Schwester, mich verdammt noch mal loszuschnallen. Dann hielt sie mich fest, als ich endlich losließ und mir bestimmt eine halbe Stunde lang die Augen ausheulte.
    Etwa eine Stunde später – nach einem Gespräch mit der Frau von der Krisenintervention – ließ man mich zu Emily. Mrs Potholm sagte mir, man hätte sie in einem ›Abschiedsraum‹ aufgebahrt, in dem ich so viel Zeit mit ihr verbringen könne, wie ich wolle.
    Als wir die Schwingtür zum Abschiedsraum erreichten, gaben meine Beine nach, Christy hielt mich fest und sagte: ›Da musst du durch. Es gibt keinen anderen Weg. Aber wir werden es gemeinsam tun.‹
    Und dann hielt Mrs Potholm die Tür auf, wir gingen hinein und …«
    Ich schwieg und sah zu Vern auf. Er rührte sich nicht. Draußen fiel Schnee und löschte die Welt aus. Sie war verschwunden.
    Ich fuhr fort:
    »Sie lag auf einer kleinen Bahre, ein Laken war bis zu ihren Schultern hochgezogen. Es heißt oft, dass Tote aussehen, als würden sie schlafen. Aber ich starrte auf meine wunderbare Tochter hinunter und konnte nur denken: Sie ist weg, sie wird die Augen nie mehr aufmachen und sagen, dass sie Angst vor dem Dunkeln hat, ich ihr eine Gutenachtgeschichte vorlesen soll oder …
    Ich starrte auf Emily herunter und musste mich zwangsläufig der Realität stellen. Auf ihrer Stirn prangte ein riesiger blauer Bluterguss, seitlich an ihrem Hals ein tiefer Schnitt. Und als ich ihre Hände in die

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