Aus der Welt
-Reporter stand vor dem Gebäude, »in dem George MacIntyre derzeit von einer Ermittlungseinheit der Calgary-Polizei verhört wird«. Aber ansonsten hatte er nicht viel über den Fortgang der Ermittlungen zu berichten.
Aber als ich am nächsten Morgen um sieben Uhr aus tiefem Schlaf erwachte, ließ CBS Radio in seiner Nachrichtensendung die Bombe platzen:
»Gegen Ivys Vater George soll heute offiziell Anklage wegen Kindesentführung erhoben werden.«
Man hatte also blutige Unterwäsche gefunden. Aber stammte das Blut eindeutig von Ivy MacIntyre? Hatten die Techniker auch DNA -Spuren des Vaters auf dem Kleidungsstück gefunden? Und war seine wiedergeborene Frau wirklich die Heilige, als die sie sich ausgab? War ich die Einzige in dieser verdammten Provinz Alberta, die George MacIntyres Gesichtsausdruck bei seiner Festnahme gesehen und erkannt hatte: Der war es nicht?
Fragen über Fragen … und warum stellte sie niemand?
Als die Nachrichten vorbei waren, traf ich eine Entscheidung: Ich würde mich die nächsten zwei Tage krankmelden. In dieser Zeit würde ich den Fall lösen und die Wahrheit ans Licht holen.
Während dieser Entscheidung kam mir noch ein Gedanke: Du bist wirklich vollkommen verrückt.
9
Mrs Woods war überaus verständnisvoll, was meine anhaltende »Magen-Darm-Verstimmung« betraf.
»Es scheint ja ziemlich heftig zu sein«, sagte sie, »Sie sollten wirklich gut auf sich aufpassen.«
»Ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich nicht kommen kann«, log ich.
»Aber das brauchen Sie nicht«, sagte sie. »Wer krank ist, ist krank. Außerdem sind Sie in diesem Jahr zum ersten Mal krank. Sie machen ständig Überstunden und arbeiten am Wochenende. Nehmen Sie sich ruhig den Rest der Woche frei – und gute Besserung!«
Dabei ging es mir ausnehmend gut. Vielleicht lag es an dem erholsamen Schlaf, der auf einen Kater folgt. Vielleicht auch an dem merkwürdigen Gefühl, ein Ziel zu haben. Seit ich mich mit dem Fall Ivy MacIntyre vertraut gemacht hatte, war gewissermaßen ein Schalter in meinem Gehirn umgelegt worden. Kein Schalter, der plötzlich alle Erinnerungen und Seelenqualen auslöscht, sondern ein Mechanismus, der mich immer tiefer in diesen bizarren Fall eintauchen ließ. Ganz so, als verlöre man sich in einem Film mit ungewissem Ende … vorausgesetzt, er nahm überhaupt irgendein Ende.
Ich rief bei der Autovermietung an und reservierte einen Wagen. Dann holte ich bei der Telefonauskunft mehrere Nummern in Townsend, Alberta, ein. Ich hatte Glück. Alle Nummern, die ich wollte, waren eingetragen – bis auf die von George und Brenda MacIntyre. Letztere sei erst vor Kurzem abgemeldet worden.
Ich machte eine Reihe von Anrufen und begann mit Dwane Poole. Er klang sympathisch, aufrichtig sympathisch, das spürte ich. Ich sagte, ich sei Nancy Lloyd (ein Name, den ich einfach erfand) und Journalistin bei der Vancouver Sun . Ich sei am Nachmittag in Townsend – ob er eine halbe Stunde Zeit für mich habe.
»Ich glaube, es wurde bereits alles über den Fall gesagt«, meinte er.
»Ich weiß das sehr zu schätzen«, entgegnete ich. »Trotzdem habe ich meine Zweifel an der voreiligen Schuldzuschreibung in diesem Fall. Ich habe das Gefühl, dass man George MacIntyre teert, federt und vierteilt, bevor die endgültige Beweislage überhaupt geklärt ist.«
»Den Eindruck hatte ich auch«, sagte er. »Bis man dieses Kleidungsstück in seiner Werkstatt gefunden hat. Jetzt sollen die DNA und das Blut übereinstimmen …«
»Wäre Ihnen halb drei Uhr recht?«
»Ich denke schon«, sagte er widerwillig, wollte aber nicht unhöflich wirken.
Als Nächstes rief ich Reverend Larry Coursen an, erreichte aber nur seinen Anrufbeantworter. Also hinterließ ich eine Nachricht und sagte, Nancy Lloyd von der Vancouver Sun hätte angerufen. Ob er wohl heute oder morgen für ein Interview zur Verfügung stünde? Natürlich wusste ich, dass es riskant war, den Namen der Zeitung zu nennen. Wenn er in solchen Dingen pingelig war, brauchte er nur in der Redaktion anzurufen, um festzustellen, dass er es mit einer Betrügerin zu tun hatte. Aber ich verließ mich darauf, dass er mir meine Anfrage wegen des vergangenen Medienansturms unbesehen glauben würde … zumal ich vorsichtshalber kontrolliert hatte, dass Coursen noch nicht von der Sun interviewt worden war.
Ich rief bei Ivy MacIntyres Schule an und verlangte den Direktor. Als ich mich vorstellte, verband man mich mit seiner Stellvertreterin, Mrs Missy
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