Aus der Welt
für Ideen denn?«, fragte ich.
Sie antwortete mir nicht und sagte nur: »Ich nehme an, Professor Henry ist abgetaucht und hat Cambridge verlassen. Aber wenn Sie unbedingt wollen, können Sie ja bei seiner Frau anrufen.«
War da so etwas wie Gehässigkeit in ihrer Stimme? Wollte sie mir damit sagen, dass sie mich durchschaut hatte? Aber wir waren doch so übervorsichtig gewesen! Wahrscheinlich war sie nur mal wieder bösartig – schließlich war sie in der ganzen Fakultät wegen ihrer Doppelzüngigkeit gefürchtet.
»Haben Sie seine Privatnummer?«, fragte Mrs Cathcart.
»Nein.«
»Das wundert mich aber, wo Sie doch in den letzten vier Jahren so eng mit dem Professor zusammengearbeitet haben.«
»Ich rufe ihn nie zu Hause an.«
»Verstehe«, sagte sie eisig, woraufhin ich das Telefonat beendete.
Ich rief David sofort zu Hause an. Niemand ging dran, und der Anrufbeantworter war auch nicht eingeschaltet. War Polly mit ihm nach Maine gefahren? Dort hatte er ein kleines Cottage unweit von Bath, in dem wir nie gewesen waren, weil es in einem sehr kleinen Dorf lag, mit Nachbarn, »die alles mitkriegen«. Wenn er mit Polly dort war, und ich plötzlich auftauchte …
Aber wenn er allein in Maine war …
Am liebsten hätte ich sofort einen Wagen gemietet und wäre hingefahren, aber die Vernunft riet mir von so einer unüberlegten Aktion ab. Nicht nur weil Polly bei ihm sein könnte, sondern auch weil ich das Gefühl hatte (oder es zumindest hoffte), dass David sich schon bei mir melden würde, wenn er mich brauchte.
Aber er meldete sich nicht, und ich erfuhr weder, wo er steckte, noch, wie es ihm ging. Ein Tag verging, dann zwei, dann drei. Ich rief dreimal am Tag bei ihm zu Hause an. Niemand ging dran. Ich hakte erneut bei Mrs Cathcart nach. »Keiner weiß, wo er steckt«, war alles, was sie sagte. Ich rief Christy an und traf sie auf ein paar Drinks, denn wenn man mit Christy ausging, endete der Abend immer mit einem Besäufnis. Sie war gut über den Fakultätsklatsch informiert und erzählte mir, dass mindestens drei Kollegen Davids (sie kannte ihre Namen) den Dekan der Fakultät aufgefordert hätten, David wegen standeswidrigen Verhaltens zu entlassen. Man hatte ihnen versichert, dass sie der Dekan unterstützen würde, falls sich die Plagiatsvorwürfe erhärteten.
»Es gibt eine ziemlich fiese Truppe innerhalb der Fakultät«, so Christy, »die den Typen schon immer fertigmachen wollte. Die Abneigung reicht bis in die Siebziger zurück, als sie alle gemeinsam anfingen und diese früh vergreisten Arschlöcher Professor Henry für viel zu glamourös und überschätzt hielten. Seine Beliebtheit bei den meisten Studenten war ihnen auch schon immer ein Dorn im Auge. Jetzt platzen sie vor Schadenfreude und sind entzückt, dass er um sein berufliches Überleben kämpfen muss.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er in sein Ferienhaus in Maine gefahren ist.«
»Wenn, ist er dort allein.«
»Woher weißt du das?«, fragte ich, kaum überrascht.
»Weil mir Mrs Cathcart erzählt hat, dass Henry einen Riesenstreit mit seiner Frau hatte, als die Kacke so richtig am Dampfen war. Er hat ihr vorgeworfen, sie zu diesem schlechten Roman gedrängt zu haben. Außerdem hätte sie schon immer versucht, seine Karriere zu sabotieren.«
Ach du meine Güte.
»Und woher will die Cathcart das wissen?«
» Madame Henry hat es ihr erzählt. Anscheinend ruft die gestörte Polly die alte Hexe regelmäßig an, um sich nach ihrem unzuverlässigen Ehemann zu erkundigen. Und die Cathcart ermuntert sie noch dazu, denn he, Wissen ist Macht, schon vergessen?«
»Gut, aber warum hat mir die ›alte Hexe‹ dann erzählt, dass ich Davids Frau anrufen soll, um herauszufinden, wo er ist?«
»Weil sie nun mal gerne Spielchen spielt, deshalb. Und weil sie – wie jeder an der Fakultät – vermutet, dass du und der Professor schon länger was miteinander habt.«
Bei dieser Nachricht zuckte ich zusammen. Sie wussten es. Alle wussten es.
»Das ist doch völliger Unsinn«, warf ich ein.
»Ich habe mir schon gedacht, dass du das sagen würdest«, erwiderte Christy. »Und deshalb kann ich dich auch nicht als meine Freundin bezeichnen, obwohl ich dich sehr mag. Und das sage ich jetzt nicht nur, weil ich betrunken bin. Aber du weißt, dass …«
»Ich weiß, dass es viel Gerede gibt, an dem einfach nichts dran ist.«
»Und ich weiß, dass ich jetzt gehe«, sagte sie und warf etwas Geld auf den Tisch. »Ich habe nämlich keine Lust mehr, hier
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