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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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rumzusitzen und mich anlügen zu lassen.«
    »Ich lüge dich nicht an«, lallte ich, da der Wodka und das Bier meine Worte übertrieben in die Länge zogen und mir Mut machten, an meiner Unschuld festzuhalten.
    »Für mich ist dieses Gespräch hiermit beendet«, sagte Christy. »Aber tu deinem Mann einen Gefallen: Sobald du morgen aufwachst, schnappst du dir einen Wagen und fährst zu ihm nach Maine. Er braucht dich.«
    Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich dem Taxifahrer meine Adresse gab, ihn bezahlte oder die Stufen zu meiner Wohnung hochging. Auch nicht, dass ich mich auszog und ins Bett fiel. Ich weiß nur noch, dass ich gegen acht senkrecht im Bett saß und es bitter bereute, mich so betrunken zu haben. Ich wollte nicht einmal ansatzweise darüber nachdenken, was Christys Ausführungen vom Vorabend für Konsequenzen hatten. Weder was meine Unaufrichtigkeit ihr gegenüber betraf (schuldig im Sinne der Anklage) noch die erschütternde Erkenntnis, dass meine private Beziehung zu David Gesprächsthema an der Fakultät war.
    Ich duschte eiskalt und zog mir etwas an. Dann machte ich mir einen Kaffee, rief bei Avis an und reservierte einen Wagen. Ich nahm zwei Aspirin und trank zwei Tassen Kaffee. Ich warf gerade ein paar Sachen in eine Reisetasche, als es klingelte.
    David!
    Ich rannte die Treppe hinunter. Aber als ich die Tür aufriss, stand Christy davor. So wie sie mich ansah – mit einer Mischung aus Verzweiflung und Angst –, begriff ich sofort, dass etwas Schreckliches passiert sein musste.
    »Können wir raufgehen?«, fragte sie.
    Wir liefen die Treppe hoch und betraten meine Wohnung. Ich machte die Kaffeemaschine aus und drehte mich zum Flur. Dort stand Christy und umklammerte den Türknauf, wie um sich gegen das, was nun kam, zu wappnen.
    In dem Moment wusste ich Bescheid. Schon als ich in ihr verängstigtes Gesicht geblickt hatte … wusste ich Bescheid.
    »David?«, fragte ich, aber es war kaum mehr als ein Flüstern.
    Sie nickte langsam und sagte: »Er wurde gestern von einem Auto überfahren.«
    Ich brauchte einen Augenblick, um die Nachricht zu verdauen. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich am Herd festhielt. Alles wurde ganz still um mich herum und rückte in weite Ferne. Christy redete immer noch, aber ich bekam nichts mehr mit.
    »Er war mit dem Fahrrad unterwegs, in Strandnähe, unweit seines Ferienhauses in Maine. Es war später Nachmittag, und es wurde bereits dunkel. Er fuhr auf einer Seitenstraße, und ein Laster kam ihm entgegen …«
    Sie schwieg und fügte dann hinzu: »Man geht von einem Unfall aus.«
    Jetzt bekam ich alles wieder voll mit.
    »Was hast du da gerade gesagt?«
    »Der Lastwagenfahrer …«
    Sie verstummte.
    »Sprich weiter«, flüsterte ich.
    »Laut Mrs Cathcart fuhr der Lastwagenfahrer auf der Gegenfahrbahn. Er sah, wie ihm David entgegenkam. Aber plötzlich schien David einen Schlenker zu machen, direkt vor seinen Kühler …«
    Ich ließ den Herd los und sackte auf einen der Küchenstühle. Ich schlug die Hände vors Gesicht und presste sie gegen meine Lider. Aber die Welt um mich herum wurde einfach nicht schwarz.
    Christy kam zu mir und umarmte mich. Aber ich wollte nicht getröstet werden. Ich wollte nicht, dass jemand Zeuge meines Verlusts wurde. Trotz des Schocks, den diese Nachricht auslöste, warnte mich eine leise Stimme, dass ich vorsichtig sein musste. Wenn du hysterisch wirst, kommt alles raus.
    Ich schüttelte Christy ab und sagte: »Ich glaube, ich muss jetzt einen Moment allein sein.«
    »Das ist das Letzte, was du jetzt brauchst«, erwiderte sie.
    Ich stand auf und ging zum Schlafzimmer.
    »Danke, dass du gekommen bist und es mir gesagt hast.«
    »Jane, du brauchst mir nichts vorzumachen.«
    »Was um alles in der Welt soll ich dir vormachen? Da gibt es nichts vorzumachen.«
    »Verdammt noch mal, dein Liebhaber ist gerade gestorben.«
    »Wir reden morgen weiter.«
    »Nicht, wenn du es nicht einmal schaffst …«
    Ich schloss die Schlafzimmertür. Setzte mich aufs Bett. Halb erwartete ich, dass Christy hereinstürmen und mich mit meinen zahlreichen Schwächen konfrontieren würde – vor allem damit, dass ich ihr nicht einmal in so einem Moment mein Herz ausschüttete.
    Doch es gab keine solche dramatische Konfrontation. Stattdessen hörte ich, wie die Haustür zufiel und es ganz still in der Wohnung wurde.
    Was dann kam, wunderte mich selbst. Ich fühlte mich wie ferngesteuert. Ich stand auf, griff nach der Reisetasche und packte ein paar Klamotten

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