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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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lebte ich in bescheidenen Verhältnissen, da mein Dad kaum Alimente zahlte. Auf der Highschool war ich immer »die Tochter der Bibliothekarin«. Anders als andere Teenager in Old Greenwich besaß ich kein eigenes Auto, geschweige denn, dass ich Mitglied im Country Club gewesen wäre. Das Old Greenwich war die Sorte Club, in dem die Jungs an ihrem elften Geburtstag ihr erstes Golfschlägerset geschenkt bekommen. Wie ich merkte, war es gar nicht so schlimm, kein Auto zu haben und die Wochenenden nicht in irgendeiner Luxus-Enklave zu verbringen. Trotzdem beneidete ich die anderen um einige ihrer Privilegien – vor allem darum, ihre Mütter nicht um bestimmte Dinge bitten zu müssen. Meine Mutter schämte sich nämlich ständig für ihr schmales Gehalt, dafür, dass sie mir nicht mehr bieten konnte, obwohl ich ihr stets versicherte, dass ich alles hatte, was ich brauchte.
    Es ist schon erstaunlich, wie sich bestimmte Verhaltensmuster einschleichen, ohne dass man es selbst merkt oder die Menschen, die einem nahestehen, es überhaupt mitbekommen. Mom hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht viel Geld hatte. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil Mom ein schlechtes Gewissen hatte. Außerdem verletzte und verwirrte es mich, dass mein Vater so geizig war. Gleichzeitig bewarb ich mich um Stipendien und hatte verschiedene Teilzeitjobs, um Mom finanziell zu entlasten und meinem Vater zu beweisen, dass ich auch alleine klarkam.
    Deshalb arbeitete ich auf dem College fünfzehn Wochenstunden in der Bibliothek, um mir etwas Taschengeld dazuzuverdienen. Während meines Harvard-Studiums hielt ich Einführungsseminare in Anglistik, um mein Stipendium aufzustocken. Und weil ich mein Geld sorgfältig einteilen musste, lernte ich, mit sehr wenig auszukommen. Abzüglich des Geldes für Tutorien und Bücher blieben mir von meinem Stipendium noch 700 Dollar im Monat übrig. Meine Studentenbude kostete etwas mehr als 500 Dollar – und mit dem Honorar für das Einführungsseminar war ich gezwungen, den restlichen Lebensunterhalt mit knapp 400 Dollar zu bestreiten. Ich kochte überwiegend selbst und kaufte nur reduzierte Klamotten. Aber dafür konnte ich es mir locker leisten, zweimal die Woche ins Kino zu gehen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kam ich nach Cambridge und Boston. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir etwas fehlte … auch weil ich mich nach nichts richtig sehnte.
    Das ist typisch, wenn man nicht viel Geld hat. Man lernt, dass man nicht viel braucht, um ein interessantes Leben zu führen. Erst wenn man richtig Geld verdient, glaubt man Dinge zu brauchen, an die man vorher nicht mal im Traum gedacht hat. Und besitzt man sie erst mal, macht man sich über all das Gedanken, was man noch nicht hat. Dann entwickelt man eine regelrechte Gier nach Statussymbolen. Bis man sich irgendwann fragt, was diesen Konsumrausch eigentlich ausgelöst hat. Schließlich weiß man ganz genau, dass die Kaufsucht nur dazu dient, eine riesige innere Leere zu füllen. Und versucht, sich einzureden, der ganze Krempel könnte einem über Selbstzweifel und Schwermut hinweghelfen.
    Es gibt kaum etwas Komplizierteres als Geld – denn es ist der Maßstab, an dem wir uns messen, das Mittel, mit dem wir glauben, unser Schicksal in die Hand nehmen zu können. Geld: die größte Illusion überhaupt.
    Aber in den ersten verrückten Monaten bei Freedom Mutual war Geld für mich so etwas wie ein fantastischer neuer verrückter Liebhaber, der wild entschlossen war, mir eine neue Welt zu offenbaren. Weg mit dem eintönigen Alltag und dem ständigen Geldmangel! Her mit den Annehmlichkeiten eines schönen Lebens, in dem man nicht mehr auf den Preis schauen muss!
    Geld. Zu meiner fortwährenden Überraschung begeisterte ich mich schnell für die schwindelerregenden Genüsse und Möglichkeiten, die es einem eröffnete.
    Geld. Geld war auch so etwas wie ein Spiel.
    Zumindest für Brad Pullman.
    Brad Pullman war der CEO von Freedom Mutual. Er war Ende dreißig – ein Zahnarztsohn aus Long Island und ein ehemaliger Außenseiter, wie er über sich selbst sagte. Doch seit er das große Geld für sich entdeckt hatte, wurde er für seine Vergangenheit reich entschädigt. Er besuchte zuerst das Middlebury College und dann die Harvard Business School. Anschließend hatte er in der »sicheren, stressarmen Welt offener Investmentfonds« Karriere gemacht.
    »Die ersten dreißig Jahre meines Lebens waren überwiegend von der Angst geprägt, ein Risiko einzugehen. Eines

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