Aus der Welt
verdienen, wenn Sie Profit machen. Wenn Sie ein Händchen für den Job haben, haben Sie vielleicht schon mit dreißig ausgesorgt. Aber bevor Sie bei uns anfangen, gebe ich Ihnen zweitausend bar auf die Kralle und schicke Sie morgen Nachmittag mit Trish Rosenstein los. Wie ihr Name vermuten lässt, verbringt sie den Sommer nicht mit den verdammten Bushs in Kennebunkport, sondern ist eine fantastische Fondsmanagerin, die außerdem weiß, wie man sich anzieht. Sie wird Ihnen beim Kauf eines neuen Büro-Outfits behilflich sein. Klassisch, aber chic. Im Moment sehen Sie aus wie eine Müslikekse knabbernde Studentin, die gern Holunderblütentee trinkt. So können Sie vielleicht im Bioladen punkten, aber in unser Ambiente passt das nicht. Wenn Sie den Job wollen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die neue Garderobe zu akzeptieren.«
Insgeheim sah ich mir diesen Zirkus an und dachte: Der Typ ist ein Schauspieler, der ganz genau weiß, wie man ein sexistisches Arschloch verkörpert. Denn Brad wusste, welche Rolle er da spielte. Es war ein Test, ob man sich darüber aufregte (wenn ja, wurde man hochkant rausgeworfen, weil man dann als verklemmter Spießer galt) oder ob man seiner Schlagfertigkeit gewachsen war. Doch während ich seine Wortsalven über mich ergehen ließ, musste ich feststellen, dass die verhuschte Anglistik-Studentin seiner Masche erstaunlich schnell erlag. Ich kannte bisher keine Typen wie Brad Pullman, obwohl ich natürlich wusste, dass es sie gab. Was mich daran besonders wunderte, war, dass sich diese gequirlte Scheiße bei mir verfing – was sicherlich auch an meinem Vorstellungsgespräch mit den lebenden Leichen von der University of Wisconsin lag. Ich fand seinen Text mitreißend und irgendwie passend für unsere Zeit. Gut, er war schon krass, aber so ein unverfrorener Merkantilismus hatte auch etwas merkwürdig Erfrischendes. Brad Pullman war die zeitgemäße Variante des kapitalistischen Freibeuters, der so viele meiner naturalistischen Romane bevölkerte: ein typisch amerikanisches Konstrukt voll ungezügelter Energie für jenen Verbrennungsmotor namens Kapitalismus pur.
»Sind Sie bereit, auf dem freien Markt mitzumischen?«, fragte mich Brad gegen Ende des Vorstellungsgesprächs.
Bei einem Jahresgehalt von 100 000 Dollar und weiteren 20 000 in greifbarer Nähe? Natürlich war ich dazu bereit.
»Ich denke schon«, sagte ich möglichst zurückhaltend.
»Das ist die letzte zögerliche Bemerkung, die Sie hier machen. Bei uns gibt es entweder ein deutliches Ja oder ein Nein, das keine Zweifel lässt.«
Trish Rosenstein verkörperte dieses dualistische Weltbild perfekt. Obwohl ihre eigentliche Aufgabe darin bestand, mich modisch neu einzukleiden – Brad hatte uns beiden befohlen, den nächsten Nachmittag freizunehmen, »um die Sache zu erledigen« –, landeten wir nach unseren Einkäufen wie selbstverständlich in der Bar des Four Season Hotels und erzählten uns unsere Lebensgeschichte.
Brad hätte Trish gar nicht besser beschreiben können. Ihre Stimme verband den Dialekt Brooklyns mit dem heiseren Tuten eines Nebelhorns – eine Stimme, bei der sich alle im Restaurant umdrehen, kleine Kinder anfangen zu weinen und Haustiere das Weite suchen. Als wir die Newbury Street hinunterliefen und sie mich in gut sortierte Modeabteilungen begleitete, ertappte ich mich bei dem Gedanken: Ich halte es keine zehn Minuten mit dieser Frau aus.
»Das kommt ganz bestimmt nicht infrage!«, schrie sie, als ich mir ein Kostüm von Banana Republic ansah. »Darin siehst du aus wie eine magersüchtige Fotze.«
Nach diesem Ausspruch drehten sich alle Leute auf der Etage zu uns um. Daraufhin starrte sie sie in Grund und Boden und rief: »Haben Sie irgendwelche Probleme mit meiner Bemerkung?« Damit brachte sie den ganzen Laden zum Schweigen. Anschließend wandte sie sich wieder an mich und sagte: »Komm, sehen wir uns woanders nach stilvollen Sachen um.«
Draußen auf dem Bürgersteig sagte ich: »Musstest du unbedingt …«
»… sagen, was ich denke? Warum denn nicht, verdammt noch mal? Ich habe schließlich niemanden beleidigt. Ich habe nur eine Bemerkung gemacht.«
»Eine sehr lautstarke Bemerkung.«
»Ach ja? Rede ich laut? Nun, so bin ich nun mal.«
Sie bestand darauf, mich zu Armani zu schleppen. »Dort ist gerade Schlussverkauf, vielleicht finden wir was gegen den Müsli-Look.«
Am späten Nachmittag besaß ich drei Kostüme mit passenden Oberteilen und zwei Paar Schuhe – alles sehr stilvoll
Weitere Kostenlose Bücher