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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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kann ich Ihnen sagen, Jane: Nichts bremst einen im Leben so sehr aus wie Angst« (übrigens sein Lebensmotto). »Angst ist das Einzige, was dich davon abhält, deine Ziele zu erreichen oder das Leben zu leben, das du verdienst. Aber das besonders Heimtückische an Angst ist, dass sie zum Automatismus wird: Wir machen uns die Angst selbst, die unser Leben ruiniert.«
    Ja, Brad Pullman redete häufig wie ein Ratgeber-Guru. »Das gehört einfach mit dazu«, meinte er. Außerdem hielt er sich für den lebenden Beweis für »die unbedingte Notwendigkeit, über das Negative zu siegen«. Brad hatte diese Maxime auf jeden Lebensbereich angewendet. Er hatte sich von seiner ersten Frau (»die typische Erstehe«) getrennt, als ihm ihr »trostloser Pessimismus« zunehmend auf die Nerven ging. Er hatte alles Provinzielle abgelegt – ganz zu schweigen von seinem schwammigen Äußeren. Dank einer unerbittlichen Diät und eines noch unerbittlicheren Personal Trainers hatte er fünfundzwanzig Kilo abgenommen. Seine neue schlanke Figur ging mit dem Bedürfnis einher, den Dandy zu spielen.
    »Ich gebe gern zu, dass in meinem 5,4-Millionen-Dollar-Haus in Beacon Hill fünfzig Designeranzüge hängen. Braucht ein Mann fünfzig Anzüge und hundertfünfzig Hemden? Natürlich nicht! Fünfzig Anzüge und hundertfünfzig Hemden in einem 5,4-Millionen-Dollar-Haus sind ein Zeichen für haltlosen, sinnlosen Konsum … außer, man zählt zwei und zwei zusammen: fünfzig Anzüge und hundertfünfzig Hemden – nehmen wir mal an, die Kosten dafür belaufen sich auf ungefähr 100 Mille in fünf Jahren, also auf 20 Mille im Jahr. Ein leitender Angestellter im mittleren Management, der 150 000 brutto verdient und 20 000 Dollar im Jahr für Anzüge ausgibt, ist mehr oder weniger mit einem Cracksüchtigen vergleichbar. Aber wenn man acht Millionen im Jahr scheffelt, so wie ich letztes Jahr …«
    Auch das war typisch Brad Pullman: Er sagte nicht nur überall dazu, was es gekostet hatte, sondern ließ auch alle Welt ständig wissen, wie viel Geld seine Firma verdiente und wie viel man eigentlich selbst verdienen müsste , aber nicht verdiente, weil … »Hast du das Zeug dazu, über das Negative zu obsiegen und richtig dick Kohle zu machen?«
    Ich lernte Brad Pullman beim Vorstellungsgespräch kennen. Über die Harvard-Stellenvermittlung war ich auf den Job aufmerksam geworden. Nachdem ich den Posten in Wisconsin abgelehnt hatte, fragte ich Miss Steele, ob es irgendwelche Jobs in der Welt des großen Geldes gäbe.
    »Jede Menge natürlich – aber Sie haben einen Ph. D. in Anglistik. Warum wollen Sie …«
    »Sehen Sie es als Berufswechsel«, sagte ich.
    »Bevor Sie jemals in Ihrem Beruf gearbeitet haben?«
    »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht an einer Universität arbeiten möchte. Und wenn ich eine Tätigkeit als Hochschullehrerin ablehne, kann ich mich genauso gut um einen richtig gut bezahlten Job bewerben.«
    »Professor Henry hätte das bestimmt gar nicht gefallen«, sagte sie trocken. Ich schaffte es, gelassen zu bleiben.
    »Professor Henry hat das kleinkarierte Unileben gehasst – so gesehen hätte ihm das sogar sehr gut gefallen.«
    »Nun, Sie kannten ihn bestimmt besser als ich.«
    »Allerdings«, erwiderte ich.
    Dann erkundigte ich mich nach den lukrativen Jobs.
    »Nun, im Moment sind Hedgefonds das große Ding«, sagte sie. »Und Boston ist in den letzten Jahren so etwas wie ein Zentrum dafür geworden. Diese Firmen halten ständig nach Berufsanfängern Ausschau, vor allem, wenn sie aus Harvard kommen. Dass Sie einen Doktortitel in Literaturwissenschaften haben, mag sie zunächst verwirren. Aber vielleicht hebt Sie das ja unter Ihren Mitbewerbern hervor.«
    Brad Pullman war genau derselben Ansicht. Zuerst war ich überrascht, dass ich ein Bewerbungsgespräch mit dem Oberboss persönlich hatte, wo ich mich doch nur um eine Stelle als Trainee bewarb. Aber Brad machte von Anfang an klar, dass er sich »eigenhändig um jeden Aspekt der Firma« kümmerte, schließlich hatte Freedom Mutual mit Absicht nur dreißig Mitarbeiter. »Ich weiß also über alles Bescheid. Mir gefällt Ihre clevere Art – warum sollten wir zur Abwechslung nicht mal eine Dreiser-Spezialistin aufs Börsenparkett schicken? Das Anfangsgehalt beträgt 100 000 pro Jahr, dazu kommt noch ein Einstiegsbonus von 20 000 Dollar, der sofort ausgezahlt wird. Irgendwelche Einwände?«
    »Nein, nicht im Geringsten.«
    »Aber Sie können zehn- bis zwanzigmal so viel

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