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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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so beunruhigend.«
    »Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung«, sagte er, wobei er es gleichzeitig vermied, mich anzusehen.
    »Stimmt irgendetwas nicht, Theo?«
    »Warum sollte es?«
    »Ich spüre, wie du dich immer mehr von hier entfernst. Von uns.«
    »Das ist mir neu. Ich bin schließlich jeden Abend hier.«
    »Aber irgendwas bedrückt dich.«
    »Dich doch auch.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du bist mit den Gedanken häufig woanders«, sagte er.
    »Das nennt man Beruf und Familie miteinander vereinbaren.«
    »Genau das tue ich auch.«
    »Aber nicht in dem Ausmaß wie ich.«
    »O bitte, wir wollen uns doch jetzt nicht ernsthaft darüber streiten, wer von uns mehr arbeitet?«
    »Na ja, in den ersten beiden Monaten nach Emilys Geburt hast du mich völlig alleingelassen.«
    »Das stimmt nicht. Ich habe nur woanders übernachtet, weil wir uns darauf geeinigt hatten, dass ich als Berufstätiger …«
    »Wir hatten uns auf gar nichts geeinigt. Du hast einfach beschlossen, zu gehen, und ich war so dumm, dir das durchgehen zu lassen.«
    »Wenn dich das so gestört hat, hättest du mir das damals sagen müssen.«
    Das war ein Totschlagargument, gegen das ich nichts einwenden konnte. Dabei wusste er ganz genau, warum ich seine damalige Abwesenheit nicht angesprochen hatte – nämlich weil ich eine Riesenangst davor hatte, ihn zu vertreiben. Denn in meinem postnatalen, durch Schlafentzug geprägten Zombie-Zustand wuchs meine Angst, er könnte uns verlassen, wenn ich ihn zu sehr unter Druck setzte. Vielleicht entnahm ich seinem Lächeln jetzt deshalb die Botschaft: Wir sind nicht verheiratet … wir haben keinen gemeinsamen Besitz … wenn ich will, kann ich jederzeit gehen.
    Das Lächeln wurde weniger hochmütig, ja direkt versöhnlich.
    »Wenn es Probleme gibt«, meinte er, »musst du mir das sagen. Ich möchte nicht, dass du einen Graben zwischen uns spürst.«
    Aber der Graben wurde tiefer. Als ich wieder arbeiten ging, brachte ich Emily jeden Morgen zur Krippe, da Theo nach wie vor nie vor zwölf Uhr mittags aufstand. Aber sie musste jeden Nachmittag um drei abgeholt werden. Da meine Kurse auf Montag, Mittwoch und Freitag fielen und ich bis vier Uhr unterrichtete, hatten wir uns darauf geeinigt, dass Theo sie von der Krippe in Cambridge abholte und sie mit in sein Büro beim Harvard Film Archive nahm, bis ich sie dort um halb sechs abholte.
    Aber nachdem wir das drei Wochen so gehandhabt hatten, sagte er mir eines Abends: »Ich kann Emily nicht mehr abholen.«
    »Warum nicht?«, fragte ich und bemühte mich, meine Überraschung zu verbergen.
    »Das funktioniert einfach nicht.«
    »Wieso?«
    »Sie braucht viel Aufmerksamkeit – die ich ihr gern gebe, aber nicht während der Arbeitszeit.«
    »Was verstehst du unter ›viel‹?«
    »Na, ständige Aufmerksamkeit eben. Ich muss sie füttern, ihr die Windeln wechseln, dann weint sie, stört meine Mitarbeiter und kann keine anderthalb Stunden am Stück schlafen.«
    »Theo, wir hatten eine Abmachung.«
    »Wir hatten eine Abmachung. Aber Abmachungen sind nicht in Stein gemeißelt, sondern können neu verhandelt werden. Und ich muss diese hier neu verhandeln.«
    »Aber so einfach ist das nicht.«
    »Doch. Du würdest sie auch nicht mit ins Seminar nehmen. Wieso soll ich sie dann mit ins Archiv nehmen?«
    »Weil ich sie fünfmal die Woche morgens in die Krippe bringe und sie an zwei Nachmittagen von der Krippe abhole. Weil ich mich jeden Abend um sie kümmere, während du mindestens bis neun oder zehn Uhr arbeitest, außerdem fast das ganze Wochenende. Ich freue mich, so viel Zeit mit ihr verbringen zu können, weil sie wirklich ein wunderbares Kind ist. Das Einzige, worum ich dich bitte, sind diese anderthalb Stunden an drei Nachmittagen in der Woche, wenn ich unterrichte. Das ist ein ziemlich fairer Deal, Theo.«
    »Er funktioniert nicht. Wir müssen eine nette, kompetente Tagesmutter finden, die bereit ist, Emily abzuholen.«
    »Das wird uns mindestens 150 Dollar die Woche kosten.«
    »Das können wir uns leisten.«
    »Du meinst, ich kann es mir leisten.«
    »Nun, du verdienst mehr als ich – und hast außerdem noch Geld auf der Bank.«
    »Aber so viel auch wieder nicht.«
    »Na ja, du musstest ja alles für eine Wohnung ausgeben.«
    Ich starrte ihn an und staunte nicht schlecht über seine letzte Bemerkung.
    »Ist dir klar, was du da soeben gesagt hast?«, fragte ich.
    Er lachte und ging einfach. Er blieb zwei Tage lang weg, an denen mir nichts anderes übrig blieb, als eine

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