Aus der Welt
halb unter der Lampe, sodass man ihn kaum sah, lag ein Zettel. Ich zog ihn hervor. Darauf stand:
Ich geh zum Schreiben zu mir.
Das war alles. Kein Name, keine Unterschrift, keine weitere Erklärung.
Ich ging zurück ins Wohnzimmer und griff nach dem Telefon.
»Gut, ich habe sie gefunden. Aber gibt es irgendeinen Grund dafür, dass du sie nicht sichtbarer hinterlegt hast?«
»Jetzt wirf mir nicht vor, dass du sie übersehen hast.«
»Ich werfe dir gar nichts vor, Theo. Ich wünsche mir nur, dass du begreifst, dass wir eine Beziehung haben. Und dass ich kein Hotel bin, in dem du absteigst, wenn du Sex oder ein selbst gekochtes Essen haben willst.«
Doch am nächsten Abend war er wieder zu Hause, bevor ich von der Arbeit kam, und überraschte mich mit einem kleinen Thai-Festmahl, das er bei einem Restaurant in der Nähe bestellt hatte. Ein paar Tage später nahm er Emily einen ganzen Sonntagnachmittag mit in den Zoo und kochte mir dann ein italienisches Essen, während er mich mit amüsanten Anekdoten über Welles, Huston, Ford, Hawks und all die anderen großen Regisseure unterhielt, die er so sehr bewunderte. Und als er mich plötzlich umarmte und mir sagte, wie wunderbar ich sei … nun, da bekam ich für den Rest des Abends eine Ahnung davon, wie schön es mit uns sein könnte. Bis mich wieder der Zweifel packte.
»Wann wirst du dich endlich damit abfinden, dass jeder Mensch Fehler hat, und aufhören, ständig alles infrage zu stellen?«, fragte mich Christy eines Abends, als sie kurz vor Mitternacht anrief und zugab, selbst Liebeskummer zu haben. (»Nein, diesmal ist es kein blöder Biker – der Kerl hatte Stil und war intelligent, aber das macht es nur noch schlimmer.«)
»Du meinst also, ich soll mit dem zufrieden sein, was ich habe, auch wenn es nicht optimal ist.«
»Nein«, sagte Christy, »mein heutiger Rat lautet: Du hast einen interessanten Beruf, der noch interessanter werden wird, wenn du diese Uni erst einmal hinter dir gelassen hast. Du lebst mit einem interessanten Mann zusammen, der vielleicht nicht gerade der ideale Partner ist, aber dafür mit Sicherheit nicht langweilig. Und als Sahnehäubchen obendrauf hast du eine wunderbare Tochter. Außerdem vollbringst du die Meisterleistung, Kind und Karriere miteinander zu vereinbaren, was dir den Neid zahlloser Frauen einbringt, zu denen auch ich gehöre.«
»Das ist mir aber völlig neu. Du hast doch nie ein Blatt vor den Mund genommen, dass du keine Kinder willst.«
»Aber das heißt noch lange nicht, dass das für mich kein schmerzhaftes Thema ist. Sieh dich doch an: Ich weiß, dass Emily …«
»… das Beste ist, was mir je passiert ist«, beendete ich ihren Satz.
»Siehst du. Und ich weiß auch, dass ich es in fünfzehn Jahren, wenn ich den richtigen Moment verpasst habe, vielleicht bereue, dass mir meine Unabhängigkeit wichtiger war, als das Wagnis einzugehen, Mutter zu werden.«
»Wahrscheinlich wirst du es nicht bereuen.«
»Jeder von uns bereut alles. Das liegt nun mal in unserer Natur. Ich hätte können, habe aber nicht. Ich wollte, habe mich dann aber doch nicht getraut. Alles Belege für unsere Reue, die uns nicht erspart bleibt.«
Vielleicht hatte Christy recht. Vielleicht war es das Beste, zu akzeptieren, dass alles zwei Seiten hat. Vielleicht war das Fehlerhafte immer auch das Interessante.
Doch eines bereute ich tatsächlich nie, nämlich Emily. Egal, wie sehr ich mich über Theo oder die idiotische Universitätspolitik ärgerte: Meine Tochter brauchte mich nur anzulächeln, etwas vollkommen Entwaffnendes zu sagen oder sich an mich zu kuscheln – und sorgte so dafür, dass ich die Belanglosigkeiten und Selbstzweifel vergaß, die einen Großteil unseres Lebens bestimmen.
»Mommy … Daddy … gut«, sagte Emily eines Tages, als Theo und ich uns beim Abendessen unterhielten und über eine absurde Bemerkung lachten, die wir an jenem Nachmittag in einem Coffeeshop aufgeschnappt hatten.
»Ja, das stimmt«, sagte Theo. »Mommy und Daddy sind sich gut.«
Ich nahm seine Hand und lächelte.
Zehn Tage später kam er nach Hause und verkündete, dass er soeben eine Affäre mit einer Frau namens Adrienne Clegg begonnen hätte.
Danach waren sich Mommy und Daddy nie mehr gut.
6
Adrienne Clegg. Schon als Theo sie das erste Mal mitbrachte, konnte ich sie nicht ausstehen. Ich hasste sie, weil mir von Anfang an klar war, dass sie uns nichts als Ärger machen würde.
Zugeben, dass man jemanden hasst, heißt zugeben, dass man
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