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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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Egal, ob wir Sex hatten oder nicht – spätestens um halb eins schlief ich ein und wurde pünktlich um halb sieben von Emily geweckt. Als sie drei Monate alt war, tat sie uns den großen Gefallen, zehn Stunden durchzuschlafen. Wenn sie doch manchmal mitten in der Nacht wach wurde, konnte sie Theo sehr gut beruhigen. Er schaffte es auch, um vier Uhr früh zu mir ins Bett zu krabbeln, ohne mich zu wecken. Er schlief immer mit Ohrstöpseln, damit er ihren frühen Weckruf überhörte. Das war allerdings nur möglich, weil unsere wunderbare Tochter morgens nie brüllte. Vielleicht interpretiere ich auch viel zu viel in alles hinein, aber was mich an Emily von Anfang an beeindruckte, war die Art, wie sie ihre Bedürfnisse äußerte. Sie war dabei weder weinerlich noch übermäßig fordernd. Sie lächelte viel und begrüßte mich jeden Morgen mit einem Strahlen. Einen kostbaren Moment lang wurde alles andere unwichtig, und ich erlebte das Wunder, dass ein Kind sämtliche mit ihm verbundenen Sorgen und Probleme im Nu ausgleichen kann.
    Kurz vor ihrer Geburt hatte ich meinen Mazda gegen einen VW Touareg eingetauscht. Ich kaufte einen Jahreswagen, musste aber trotzdem 8000 Dollar draufzahlen. Damit war auch ich nun eine Mutter mit Geländewagen.
    Theo versuchte nicht, mich von diesem Autokauf abzuhalten.
    »Er ist zwar kein richtiger Geländewagen und auch nicht so politisch korrekt wie ein Hybridfahrzeug von Toyota, aber er sieht klasse aus, sodass ich mich nicht dafür schämen muss.«
    Dabei war ich diejenige, die ihn täglich benutzte, schließlich fuhr ich Emily zur Krippe. Ich konnte sie um halb neun abgeben, aber keine Minute früher. Vor der noblen Kinderkrippe unweit des Porter Square, knapp hinter der Grenze zu Cambridge, standen immer schon mindestens zwei Dutzend berufstätige Mütter (und nie mehr als drei Väter) mit Kindern in Kinderwagen parat. Alle hatten sich für ihren Job zurechtgemacht, alle sahen auf die Uhr, alle waren bereit, sofort loszurennen, sobald sich die Türe öffnete und die Kinder abgegeben werden konnten. Danach konnten wir an unsere diversen Arbeitsplätze hetzen und mit unserer gut bezahlten Alltagsroutine beginnen – nicht ohne uns ständig den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man Kinder und Karriere am besten miteinander vereinbart und gleichzeitig eine harmonische Beziehung aufrechterhält. Und nicht ohne uns einzureden, dass uns das eines Tages irgendwann erfüllen wird.
    Was mich am meisten beunruhigte, war jedoch, dass ich negierte, wie es wirklich um meine Beziehung zu Theo bestellt war: Ich war kein bisschen mehr in ihn verliebt. Aber vielleicht sollte ich den Satz lieber als Frage formulieren: War ich jemals richtig in ihn verliebt gewesen? Und wäre ich es noch, wenn Emily nicht in unser Leben getreten wäre?
    Oder lautete die eigentliche Frage vielmehr: War er wirklich verliebt in mich? Als Emily beinahe ein Jahr alt war und ich glaubte, dass Theo und ich einen guten Rhythmus gefunden hätten, änderte er sein Verhalten und fing erneut an, mehrere Nächte in Folge wegzubleiben. Was mich daran am meisten ärgerte, war, dass er nicht anrief, um mir zu sagen, wo er steckte. Er schaltete das Handy aus, nur um mich noch mehr zur Weißglut zu bringen – zumindest kam es mir so vor. Nachdem zweiundsiebzig Stunden vergangen waren, ließ er sich schließlich dazu herab, einen meiner zunehmend hysterischen Anrufe zu beantworten, und sagte völlig ungerührt:
    »Ich bin zu Hause und arbeite.«
    »Und da konntest du mich nicht einmal anrufen und mir sagen, wo du steckst? Ich habe dir bestimmt ein Dutzend Mal auf den Anrufbeantworter und dein Handy gesprochen.«
    »Ich hatte beides ausgeschaltet. Ich wollte einfach nicht gestört werden.«
    »Ich störe also?«
    »Du klingst gestresst.«
    »Natürlich bin ich gestresst! Du bist einfach verschwunden.«
    »Wenn du dir die Mühe gemacht hättest, die Nachricht zu lesen, die ich dir hingelegt habe …«
    »Ich habe keine Nachricht gesehen.«
    »Vielleicht hast du nicht richtig geguckt.«
    »Ich habe das ganze Haus auseinandergenommen auf der Suche nach einer Nachricht von dir.«
    Tatsächlich hatte ich nur auf der Küchentheke nachgesehen und auf der Kommode im Flur, wo wir uns normalerweise Zettel hinlegten. Aber nicht …
    »Im Schlafzimmer«, sagte Theo. »Auf deinem Nachttisch, unter der Lampe.«
    Ich legte das Telefon zur Seite und marschierte schnurstracks ins Schlafzimmer. Noch in der Tür stehend, sah ich zum Nachttisch hinüber. Dort,

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