Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
Außerdem, warum sollte eine von uns so blöd sein, Beverlys Handtasche auf einem unserer Wagen zu deponieren? Dann könnten wir doch gleich zur Polizeiwache rüberspazieren und uns selbst Handschellen anlegen. Für wie blöd halten Sie uns eigentlich? Wow, wir sind hier vor dem Haus der Strafverfolgungsbehörden, lass uns belastendes Beweismaterial auf unsere Kühlerhauben legen?“
Als Pauls dünne Lippen sich leicht widerstrebend zu einem Grinsen verzogen, kapierte ich zum ersten Mal, was Sally in dem Mann gesehen haben mochte.
„Okay, Roe. Aber wenn Sie die Handtasche nicht auf den Wagen von Mrs. Youngblood gelegt haben und Mrs. Youngblood es auch nicht gewesen ist, wer denn dann? Warum überhaupt?“
Angel sah mich an, ich sah Paul an. Besonders intelligent werden wir beide nicht ausgesehen haben. Aber offenbar bekam Angel es mit, als mir eine Idee kam, denn sie schüttelte sachte den Kopf. Eine kaum wahrnehmbare Bewegung, aber so effektiv, als hätte sie mir mit der Hand den Mund zugehalten.
„Wir sind keine Polizisten“, sagte ich, wobei ich Paul fest in die Augen sah. Angel wickelte ihren Keks aus und schob ihn sich in den Mund. Da ihre Zähne nun beschäftigt waren, beschränkte sie ihre Antwort auf ein Achselzucken.
Paul stellte sich noch ein bisschen an, schob aber letztendlich seinen Bleistift unter die Riemen der Handtasche und trug sie als Beweismaterial in die Polizeistation. Angel hatte den Keks aufgegessen und widmete sich inzwischen bereits ihrer Cola und den Chips.
„Irgendwer hat was gegen dich“, sagte ich.
„Wie kommst du denn darauf?“, nuschelte Angel um ihren Snack herum.
„Da schickt einer Blumen, damit du Ärger mit deinem Mann kriegst. Da bindet einer unserer Katze eine Schleife um den Hals, damit du weißt, dass du nicht in Sicherheit bist. Da schlägt jemand Beverly Rillington zusammen, nachdem du mit ihr in der Bücherei einen Zusammenstoß hattest. Schließlich noch die Sache mit der Handtasche auf deinem Auto.“
„Das mit der Handtasche ist das Seltsamste.“ Angel warf mir einen höchst bedeutungsvollen Blick zu, den ich nur leider überhaupt nicht zu lesen vermochte.
„Alles ist seltsam!“, sagte ich leicht verwirrt. „Oder meinst du, weil die Handtasche hier so in aller Öffentlichkeit abgelegt wurde? Alles andere konnte ja im Dunkeln oder sozusagen aus der Entfernung erledigt werden.“
Wortlos wandte Angel den Blick ab und nickte schließlich.
Beinahe hätte ich sie um eine Erklärung gebeten. Was sollte dieses rätselhafte Verhalten? Wir kannten einander nun seit zwei Jahren, waren seit ebenso langer Zeit gute Nachbarinnen gewesen. Meiner Meinung nach waren wir so eng befreundet, wie man es eben sein kann, wenn man so verschiedene Charaktere hat und noch dazu die eine bei der anderen angestellt ist. Immerhin kannte ich Angel gut genug, um zu wissen, dass sie mir alles erklären würde, sobald sie bereit dazu war. Keine Sekunde früher.
An dem Blick, den Angel mir zuwarf, konnte ich erkennen, dass sie mich heute schwer von Begriff fand. Dafür fand ich sie geheimniskrämerisch.
Beiderseits gründlich verwirrt und entnervt stiegen wir in unsere fast identischen Fahrzeuge und fuhren heim. Angel hielt sich die ganze Zeit über peinlich genau an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ich folgte ihr fast blind, wie auf Autopilot. Mein Hirn befand sich in einem Zustand, der sich am besten mit dem Wort „durcheinander“ beschreiben lässt.
Ich grübelte. Unter anderem dachte ich über Arthurs lange Abwesenheit zu Beginn meines Verhörs nach. Angeblich hatte er nur Kaffee geholt. Wenn er nun aber in dieser Zeit Angel, die gerade im Supermarkt einkaufen war, die Handtasche auf die Kühlerhaube gelegt hatte? Dachte er, ich würde netter über ihn denken, wenn er Angel und durch sie ihren und auch meinen Ehemann in Verruf brachte? Falls er das glaubte, dann irrte sich Arthur Smith nicht nur gründlich, sondern hatte ernsthaft nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Langsam schleppte ich mich ins Haus und bekam gerade noch rechtzeitig das Klingeln des Telefons mit. Schnell rannte ich in das Zimmer, das uns als Arbeitszimmer, Bibliothek und Fernsehzimmer gleichzeitig diente.
„Was ist denn jetzt wieder?“, erkundigte sich Mutters kühle Stimme am anderen Ende der Leitung, als ich mich leicht atemlos gemeldet hatte. Sie ließ sich nichts anmerken, aber ich hörte doch deutlich diese Mischung aus Sorge und Gereiztheit, die Mutters Beziehung zu mir mehr als alles andere
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