Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
garantiert ein halber Baum.
„Tut mir leid, dass du warten musst.“ Sally tauchte wieder aus den Tiefen ihres Fahrzeugs auf und schleppte einen gut gefüllten Beutel hinüber zum Müllcontainer. „Ich räume nur auf, wenn es gar nicht mehr anders geht. Da wir in meinem Auto fahren wollen, geht es jetzt leider nicht mehr anders. Das verschafft mir immerhin den nötigen Druck.“
Sally trug Jogginghosen, was sie werktags nie tat, aber die bronzefarbenen Locken und das Make-up saßen perfekt wie immer. Sally hatte sich in all den Jahren, in denen wir manchmal gute Freundinnen, manchmal weniger gute waren, kaum verändert. Hinter ihr lagen eine sehr genussvolle, wenn auch kurze Episode, in der sie sich als Gourmetköchin versucht hatte, und zwei ähnlich geartete Eheversuche. Jetzt kaufte sie wieder im Chick-Kwik, ernährte sich von Burgern und war Single. Alles, ohne je ein Pfund zuzunehmen oder auch nur eine einzige Falte zu bekommen. Das Einzige, das Sally dazu bringen konnte, so alt auszusehen, wie sie war (einundfünfzig, schätzte ich), war ihr Sohn Perry.
Ich sah zu, wie Sally im Kopf eine Checkliste durchging. Jedes Mal, wenn sie einen der nur für sie sichtbaren Punkte abgehakt hatte, nickte sie kurz. Dann rutschte sie hinter das Steuer.
„Kommst du?“, wollte sie wissen.
Kurz darauf flogen wir nur so über die Interstate. Sallys Meinung nach waren Geschwindigkeitsbegrenzungen nichts weiter als Richtlinien. Diesem Glauben hing sie schon jahrelang unverändert an, weswegen sie inzwischen mit jedem Autobahnpolizisten der Gegend per du war. Heute jedoch wurden wir nicht angehalten und waren bereits am Starry Night Flugplatz, nachdem wir gerade mal das Nötigste an Klatsch und Tratsch hatten austauschen können.
Die Interstate hatten wir fünf Minuten nach der Stadtgrenze von Lawrenceton schon wieder verlassen und waren einige Meilen die Bundesstraße entlanggefahren, die durch einen dichten Kiefernwald führt. Danach war Sally auf eine Straße abgebogen, die man eigentlich kaum noch als richtige Straße bezeichnen konnte und die uns zu dem kleinen Flugplatz mit dem romantischen Namen Starry Night brachte.
Schon beim ersten Anblick dieses Flugplatzes war klar, dass hier keine Millionen verdient wurden. Er war von der Bundesstraße durch einen Streifen dichten Kiefernbewuchses getrennt und von dort aus nicht einsehbar. Er befand sich auf einer Schneise, die man offensichtlich schon vor langer Zeit in den Wald geschlagen hatte. Es gab zwei Rollfelder, die sich beide nur für kleinere Flugzeuge eigneten. Selbst ich konnte das beurteilen, obwohl ich so gut wie keine Ahnung vom Fliegen hatte. Auf diesen Rollfeldern konnte ich mir eigentlich nur sehrkleine Flugzeuge vorstellen. Auch der Parkplatz war klein, mit Kies ausgestreut und mit roh behauenen Holzklötzen abgeteilt. Ein Gehweg aus Betonplatten führte zum Büro, einem unscheinbaren einstöckigen Gebäude, das halb so groß sein mochte wie das Erdgeschoss meines Hauses. Es bestand aus grün gestrichenen Betonwänden und verfügte über eine Fensterfront, die sich einmal um das ganze Haus herumzog. An den Fenstern hingen Vorhänge, aber die waren weit aufgezogen.
Wenn man den Gehweg weiterging, also nicht zum Büro abbog, gelangte man zu den zwei Flugzeughallen. Vom Büro aus konnte man hineinsehen, meiner Einschätzung nach aber nur jeweils die ersten paar Meter erkennen. Beide Flughallen schienen benutzt, in der ersten meinte ich, drei winzige Flugzeuge zu entdecken, in der zweiten zwei etwas größere. Aber Menschen waren keine zu sehen, und nirgendwo bewegte sich etwas.
Ich sah mich um. „Moment mal“, sagte ich, und Sally, die sich bisher nicht geregt hatte, lächelte mich an. „Du fragst dich, wie der Mörder Jacks Leiche ins Flugzeug geschafft hat?“, wollte sie wissen.
Ich nickte wortlos. Die Leiche an den offenen Bürofenstern vorbeizutragen, wäre ziemlich gewagt, egal, wie verlassen die ganze Anlage wirkte.
„Da.“ Sie deutete durch das Wagenfenster auf einen schmalen Kiespfad. Er war gerade breit genug für ein einzelnes Fahrzeug und führte vom Parkplatz zu einer kleinen Anhöhe hinter den Flughallen.
„Aber was ist mit Reifenspuren?“, wollte ich wissen.
„Hier hat es in der Zeit vor dem Abwurf von Jacks Leiche drei Wochen lang nicht geregnet. Auf beiden Seiten des Kiesbelags war der Boden steinhart. Selbst wenn es Spuren gegeben hätte, hätten die nicht allzu viel hergemacht. Jetzt nach dem Regen wäre das natürlich eine
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