Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
länger im Büro geblieben und hatte nie mehr als einen Tag verstreichen lassen, ohne sich in der Firma blicken zu lassen. Abgesehen von der Arbeit schluckten auch der Athletic Club und die Treffen all der Clubs und Vorstände, denen beizutreten man ihn gebeten hatte, immer mehr von seiner Zeit. Gemeinwesenarbeit, Rotary Club, auch das knabberte mehr und mehr an seinen Mittagspausen und den Abendstunden. Immer öfter war ich allein oder musste mich mit der Gesellschaft von Angel und Shelby begnügen. Ich hatte die beiden sehr gern, aber im Grunde verbanden uns nur wenige gemeinsame Interessen.
Während ich meine Schlüssel vom Haken neben der Küchentür holte, ging mir durch den Kopf, dass Martin und ich in den letzten drei Monaten nicht ein Mal abends zusammen ausgegangen waren – jedenfalls nicht zu unserem Vergnügen. Wir hatten in dieser Zeit an vier offiziellen Veranstaltungen teilnehmen müssen, aber das war es dann auch schon gewesen.
War das das Leben, das die junge Frau eines attraktiven, älteren, wohlhabenden Mannes führen sollte? Wohl kaum! Martin hätte mich in sämtliche einschlägigen Lokale der Gegend ausführen müssen, um mit mir anzugeben!
Mehr als einmal war ich hinter meinem Rücken als ‚Vorzeigefrau’ bezeichnet worden. Ich fand den Begriff dämlich, absurd und nicht zuletzt beleidigend. Natürlich war ich beträchtlich jünger als Martin, und ja, ich war seine zweite Frau. Aber ich war doch nun wirklich kein Flittchen mit mehr Oberweite als Verstand, ich hatte Martin nicht seines Geldes wegen geheiratet und auch nicht wegen der Sicherheit, die er mir bot. Wenn Martin irgendwo das Alphamännchen raushängen lassen wollte, dann tat er das bestimmt nicht über mich. Er tendierte eher dazu, einen Mann zum Racketball herauszufordern, als mich zu bitten, tief ausgeschnittene Kleider zu tragen.
Außenstehenden mochte es so vorkommen, als hätte Martin das Interesse an mir verloren. Als wäre ich nun, wo die Flitterwochen längst Geschichte waren, nicht viel mehr für ihn als eine Haushälterin und seine Begleitung bei offiziellen Anlässen. Es gab bestimmt Leute, die dachten, ich ginge nur deswegen wieder zur Arbeit, weil ich mich als Vollzeitehefrau gelangweilt hatte. Oder die mir unterstellten, mein Eheleben sei steril, weil ich selber es war.
Himmel, wo kamen diese Gedanken denn jetzt alle her? Diesen Morgen hatte ich mir jedenfalls ganz allein höchst erfolgreich ruiniert.
Ich riss das Garagentor auf und setzte mein bescheidenes Auto rückwärts hinaus in die Auffahrt. Resolut wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Auf dem ganzen Weg hinüber zu St. James hörte ich Countrymusik, und Punkt halb zehn bog ich auf den Parkplatz unserer Kirche. Aubrey, unser Pastor, mit dem ich einmal so gut wie verlobt gewesen war, hielt um elf Uhr in einer anderen Stadt einen Gottesdienst ab. Wir waren seine frühe Eucharistie.
Meine Augen waren immer noch rot, aber ich legte eine Doppelschicht Puder auf, um wenigstens halbwegs passabel auszusehen. Da ich die Orgel schon hören konnte, stopfte ich mir rasch Papiertaschentuch und Puderdose in die Handtasche und schlüpfte aus dem Auto. Ich war schon fast bei der Kirche, als ich hinter mir eine Wagentür zuklappen hörte. Da war wohl jemand noch später gekommen als ich.
In der Kirche blieb ich erst einmal stehen, um mich umzusehen. Sofort entdeckte ich einen sehr vertrauten Hinterkopf mit sorgfältig frisiertem, braun gefärbtem Haar. Meine Mutter und John Queensland saßen wie immer auf einer Bank direkt unter der Kanzel. John hörte seit zwei Jahren nicht mehr so gut. Aubrey, der Lektor, der Mann, der den Abendmahlkelch trug und zwei Messdiener hatten sich schon hinter dem Chorgestühl aufgereiht, bereit für die Prozession zum Altar. Aubrey und ich tauschten ein flüchtiges Lächeln, als ich an der Gruppe vorbeihuschte, um mich in die vorletzte Bank zu schieben, die zufällig leer war.
Ich hatte kaum das Kniebänkchen heruntergeklappt und mich auf meine wunden Knie niedergelassen (Himmel, tat das weh!) als ich bemerkte, dass ein Mann neben mir kniete.
Alle anderen waren bereits aufgestanden und sangen. Rasch beendete ich mein stilles Gebet, schnappte mir ein Gesangbuch und suchte die entsprechende Hymne, um mitsingen zu können. Die Prozession schritt derweil den Mittelgang hinunter. Ich suchte immer noch. Plötzlich wurde mir ein Gesangbuch unter die Nase gehalten, das an genau der richtigen Stelle aufgeschlagen war. Ganz automatisch griff
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