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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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einen Freund und Gefährten verloren … und die Wahrheit . Damit steht die Welt am Abgrund.“
    Cecil schüttelte seinen Kopf und gab seinem Wahnsinn entspringende glucksende Geräusche von sich. Sein schütteres Haar hing ihm wirr um die Ohren, und er deutete mit dem Stumpf seiner Hand auf den toten Gefährten.
    „Die Welt … sie wird hineinstürzen … in den Abgrund, oder nicht? Oder nicht? Der Abgrund, tief und schwarz, so dunkel wie …“
    Er überlegte und rieb sich dabei mit der verbliebenen Hand fahrig übers Gesicht.
    „… dunkel wie die Nacht. Gabriel hätte es besser machen müssen! – Er hätte es doch besser machen müssen, oder nicht? Oder nicht?“
    Cruz, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, legte Cecil beruhigend die Hand auf den Rücken, aber dieser entwand sich ihm mit einem Glucksen.
    „Ich, ich hätte es besser gemacht, oder nicht? Hätte die Wahrheit versteckt, ja, genau, versteckt! Ich hätte sie gut versteckt, damit die Bruderschaft sie nicht findet, oder nicht? Oder nicht? Versteckt, versteckt, versteckt!“
    „Cecil!“, rief Julien. „Beruhige dich! Ich bin sicher, Gabriel hat sein Bestes getan, die Wahrheit zu schützen – so, wie wir alle es an seiner Stelle auch getan hätten.“
    Cecil gluckste, und Cruz zog ihn streng ein Stück beiseite, aber Arjen kam ihm zuvor.
    „Warte, warte“, murmelte der blonde Krieger, der sein langes, leicht gewelltes Haar noch immer so trug wie zu der Zeit, als er Frankreich für Papst Urban II. verlassen hatte. Seine feinen Gesichtszüge verliehen ihm etwas Jungenhaftes, auch wenn seine breiten Schultern und seine kräftigen Arme zeigten, dass er einer der gewandtesten Kämpfer unter ihnen war. Anders, als der Rest von ihnen, hatte er irgendwann sein Schwert gegen einen Degen getauscht. In jeder seiner Bewegungen zeigte sich heute die Eleganz eines Fechters.
    „Cecil hat recht!“, überlegte er laut und trat an den Tisch. Sein Blick lag suchend auf Gabriels Gesicht, als hoffte er, von dem Toten eine Antwort zu bekommen.
    „Gabriel war ein brillanter Stratege. Vielleicht sind wir voreilig, wenn wir annehmen, es wäre der Bruderschaft gelungen, die Wahrheit an sich zu bringen. Was, wenn er – genau, wie Cecil es sagt – ein Versteck gefunden hat?“
    Das Chateau vibrierte fast unter der Spannung, die nun herrschte. Hoffnung, gemischt mit dem fieberhaften Versuch, herauszufinden, ob Arjen womöglich recht hatte, packte die Männer, und sie redeten wild durcheinander.
    „Versteckt? Aber wo?“
    „Es wäre denkbar …“
    „Und wie sollen wir das herausfinden?“
    „Wir wissen doch nicht einmal, wo Gabriel gestern gewesen ist.“
    „Wenn es doch einen Hinweis gäbe.“
    „Oder wir irren uns, und die Bruderschaft hält die Wahrheit längst in Händen.“
    Juliens Gedanken drehten sich im Kreis. Er lauschte seinen Brüdern und ließ seine Hand unter sein Wams gleiten. In der Tasche an seinem Herzen trug er vielleicht die Antwort auf deren Fragen. Zögernd nahm er die rote Locke hervor, ohne zu wissen, ob er damit nicht ein geheimes Kapitel aus Gabriels Privatleben offenbarte, oder ob – und das schien ihm zumindest eine Möglichkeit – sie damit der Wahrheit näher kamen.
    Er bat im Geiste Gabriel um Verzeihung, ehe er sie den anderen zeigte.
    „Als Louis und ich die Pfeile aus Gabriels Brust entfernt haben, fand ich diese Strähne bei ihm.“
    Die roten Locken schimmerten wie seidige Flammen in seiner Hand, und die Männer schienen verwirrt. Lamar lachte.
    „Sieh an. Das ist interessant. Denkst du, Gabriel hat sich auf eine heimliche Affäre eingelassen, die ihm schließlich den Kopf gekostet hat?“
    Julien biss die Zähne zusammen. Genau das hatte er befürchtet, als er die Strähne an sich genommen hatte. Gabriel, dessen Herz seit vielen Jahrhunderten gebrochen war, der nach der Sache in Rom nie wieder eine Frau angerührt hatte, hatte es nicht verdient, dass jetzt so über ihn gesprochen wurde.
    Mit aller Autorität, die er aufzubringen in der Lage war, antwortete Julien: „So war Gabriel nicht, Lamar – und das weißt du! Diese Strähne ist kein Liebespfand, da bin ich mir sicher.“
    „Dann denkst du also, es ist ein Hinweis? Wofür?“, fragte Louis und beendete damit das Wortgefecht zwischen Lamar und ihrem Anführer.
    „Eine Frau! Oder nicht? Das ist das Haar einer Frau, ich rieche es, ich rieche es! Es riecht nach Frau!“
    Cecil kam näher und rieb die roten Strähnen zwischen seinen Fingern.
    „Ja, du hast

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