Aus Nebel geboren
seinen Armen in seine Hand gleiten ließ. Nicht zum ersten Mal war er froh um die verrückte Erfindung des nicht minder verrückten Cecils, der die Klingen an Schienen unter ihren Stulpen befestigt hatte.
Nun drückte der kalte Stahl gegen die pochende Halsschlagader des Morgenländers, und ein ungläubiges, wütendes Murren war durch die Reihen seiner Anhänger gegangen. Julien hatte deren Stahl singen gehört, als sie ihre Waffen auf ihn gerichtet hatten.
„Steh zu deinem Wort“, hatte er verlangt und fester gedrückt, bis ein dicker roter Bluttropfen aus dem Schnitt gequollen war.
Julien wischte sich den Regen aus dem Gesicht und schloss die Augen. Er wünschte, er könnte vergessen, aber das Blutvergießen vieler Jahrhunderte war in seinem Geiste allgegenwärtig. Es war wie eine Straße, mit Blut gepflastert, die er entlangging und die niemals endete, noch sich je veränderte, selbst wenn der Wegesrand sich stetig wandelte.
Als er nun auf die nassen Straßen von Paris hinabsah, glänzten diese wie frisches Blut, und er gönnte seiner Seele eine Pause, indem er sich dem grünen Blätterdach des Parks zuwandte.
Der Park war nachts nicht sicher, aber es war bereits Mittag, und Fay hatte es eilig. Abgesehen von einigen Dealern würde bei diesem Wetter dort nicht viel los sein, und so folgte sie dem von alten Bäumen beschatteten Fußweg.
Sie zündete sich eine Zigarette an, ohne zu bemerken, dass allein das kurze Aufflammen ihres Feuerzeugs Aufmerksamkeit erregte.
Die Bruderschaft des wahren Glaubens
Paris, heute
„Der Typ hat uns für dumm verkauft!“, schimpfte Jade, und ihre blasse Haut hatte in dem grünlichen Licht der Neonröhre über ihren Köpfen Ähnlichkeit mit der einer Leiche.
Die Monitore in ihrem Rücken flackerten und warfen rechteckige Lichtbalken in den muffigen Kellerraum. Ihre stark überschminkten Augen hefteten sich auf Paul und André vor ihr. Sie gab dem Drang nach, mit der Hand auf den Schreibtisch zu schlagen, was ihr einen bösen Blick von Lucas einbrachte, der mit einem Headset vor einem der Bildschirme saß und auf seine Tastatur eintippte.
„Das ist nur ein Rückschlag, nicht das Ende“, versuchte André, sie zu beruhigen, und deutete auf die Monitore, auf denen unzählige Bilder von Webcams abliefen. Das Standbild auf einem zeigte eine rothaarige Frau, die im Hinterhof eines Stripclubs eine Zigarette rauchte. „Wir haben sie auf dem Radar.“
Jade griff nach ihrem Kaffeebecher, der aber bereits leer war. Sie knüllte ihn achtlos zusammen.
„Nur ein Rückschlag?“, fauchte sie und kratzte sich auf der Suche nach einer Lösung die Kopfhaut, sodass sie ihren wasserstoffblonden Pixie verstrubbelte. Ihr graues Tanktop wies unter den Achseln Schweißflecken auf, als sie sich genervt in den Stuhl vor ihrem eigenen Rechner fallen ließ.
„Wie viele Rückschläge muss die Bruderschaft noch erleiden?“ Sie legte ihre beringten Finger auf die Tasten und schob ihr Zungenpiercing zwischen den Lippen hervor. Die Angst saß ihr im Nacken.
„Man wird uns für diesen Fehlschlag verantwortlich machen, das ist euch schon klar, oder?“, murmelte sie und biss auf die Metallkugel zwischen ihren Zähnen.
Paul schob sich den Kopfhörer in seine fettigen Haare und erweckte seinen Monitor aus dem Standby, ohne Jade weiter zu beachten. Nur André rollte seinen Stuhl zurück und runzelte besorgt die Stirn. Die Stoppeln auf seinem Kinn und die Ringe unter seinen Augen zeigten seine Übermüdung.
„Der Wanderer hat versagt, Jade. Nicht wir.“
Jade lachte zynisch.
„Solange die Welt in Unwissenheit weiterlebt, haben wir alle versagt, du Idiot! Und der Wanderer ist unser kleinstes Problem, denn nun wissen unsere Freunde , dass wir ihnen auf den Fersen sind.“
André rollte näher, stützte seine Arme links und rechts auf Jades Armlehnen und kniff verärgert die Lippen zusammen.
„Wir haben einen von ihnen erledigt. Der Wanderer hat Blut geleckt, und das Mädel … vielleicht führt sie uns ja direkt ans Ziel. Wer ist also hier der Idiot?“
Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht und ihren Busen gleiten, hob ihr Kinn an und fuhr mit seinem Daumen über ihre Lippe.
„Deine Qualitäten haben der Bruderschaft schon einmal geholfen …“, raunte er lüstern. „… gib dem Nebelmann, was er begehrt, dann wird dies nicht unsere letzte Chance gewesen sein, an die Wahrheit zu kommen.“
Der Wanderer
Paris, heute
Fay stieg über eine besonders große Pfütze hinweg. Ihre Jeans
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