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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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wurden Waffen und Ausrüstung repariert oder verkauft. Es gab Lebensmittel, die aus Jerusalem hergeschafft worden waren. Huren und Wettkämpfe um den letzten Alkohol vertrieben den siegreichen Kriegern die Zeit. Schon morgens torkelten die Soldaten Christi durch die Gassen und frönten ihren Lastern.
    Im Zelt war es schwül, und die Luft schien sich zu verflüssigen. Schnell warf Julien die Kutte ab und öffnete die Schnallen an seinem ledernen Wams. Sein Blick warnte Gabriel davor, Fragen zu stellen, und so wartete sein Freund geduldig, bis er zu sprechen bereit war.
    Julien hob sich das Metallschild seines Brustpanzers über den Kopf und schlüpfte aus seinem Hemd. Mit zusammengebissenen Zähnen tastete er die Wunde unter seiner Achsel ab. Sie war gerötet und nässte. Er trat an die Waschschüssel und wrang einen Lappen aus, mit dem er zuerst den Schnitt an seiner Schulter betupfte, ehe er sich das kalte Leinen zur Schmerzlinderung unter den Arm klemmte.
    Gabriel sah ihm schweigend zu, goss aber Wein aus einem Weinschlauch in zwei Kelche. Dankbar nahm Julien einen davon entgegen und setzte sich seinem Freund gegenüber. Dessen dunkler Blick war wie immer ruhig und abwartend. Gabriel war ein kühler Kopf und daher auch in den brenzligsten Situationen zu einem klaren Gedanken fähig. Etwas, das Julien sehr schätzte, da er sich selbst zu oft von Gefühlen leiten ließ. Hätte er auf seinen Freund gehört, drohte ihm jetzt kein Ärger.
    Mit einem Schnauben warf er den Lappen auf den Tisch und fuhr sich mit den Händen über die kurzen Haare.
    „Diese Kerle haben tatsächlich Beschwerde eingelegt“, erklärte Julien fassungslos. „Sie beschuldigen mich des Verrats, auch wenn Raimund von Toulouse dies sogleich niedergeschlagen und jeden Zweifel an meiner Loyalität für haltlos erklärt hat.“
    Er leerte den Kelch und bat Gabriel, ihm nachzuschenken.
    „Sie werfen mir zudem vor, ihnen ihre Kriegsbeute streitig gemacht zu haben! Das ist lächerlich! Sie haben eine wehrlose Frau geschändet – das ist doch keine Kriegsbeute!“
    „Wie sieht Raimund das?“, fragte Gabriel und füllte seinen Weinkelch auf.
    Julien schüttelte den Kopf und kniff verärgert die Lippen zusammen.
    „Er hat Quartier im Davidsturm bezogen und verteilt Gunstbezeugungen und Lob unter seinen Soldaten. Nach der langen Belagerung scheint er das Gefühl zu haben, ihnen etwas zu schulden.“
    Julien konnte es einfach nicht fassen. Er ging, unfähig, sich zu beruhigen, durch das Zelt.
    „Sie sitzen beisammen, er, Gottfried und Bohemund von Tarent, als wären sie Freunde – dabei würde keiner der Befehlshaber dem anderen den Rücken zukehren –, und gratulieren sich zu ihrem glorreichen Sieg. Weißt du, was sie tun? Sie prahlen! Sie seien im Blut bis zu den Knien gewatet, als sie die in der Moschee Schutzsuchenden niedergemacht hätten. Raimund sagt, sie seien im Blut geritten, so tief, dass sich ihr Zaumzeug verfärbt habe!“
    Wütend schlug er die Faust auf den Tisch, sodass Wein aus dem Kelch schwappte.
    „Er gibt ihnen recht! Bei allen Heiligen, Raimund gibt diesem Pack tatsächlich recht!“
    Gabriel erhob sich, wischte den Wein auf und warf den Lappen in die Waschschüssel, ehe er sich Julien wieder zuwandte.
    „Und was bedeutet das, Juls?“
    Julien stützte die Stirn in seine Hände, und Gabriel hatte Mühe, ihn zu verstehen, als er weitersprach.
    „Ich muss jedem dieser Hurensöhne eine Entschädigung zahlen, aber das ist nicht alles.“
    Er schluckte mühsam, dachte traurig an den Krieger, der ehrenhaft sein Wort gehalten hatte, und die Frau, zu deren Schutz er sich gegen die Kerle gestellt hatte.
    „Die Gefangenen! Jeder von ihnen, der nicht bis zum Sonnenuntergang seinen heidnischen Göttern abschwört und den christlichen Glauben annimmt, wird noch heute vor den Ruinen der Grabeskirche hingerichtet.“
    Er sah seinen Waffenbruder ernst an.
    „Gottfried übertrug es mir, die Hinrichtungen zu befehligen.“
    Gabriel hob die Augenbrauen, und Julien wusste, dass sein langjähriger Freund die Grausamkeit von Raimunds Strafe erkannte, denn ebenso wie er selbst verabscheute auch dieser so ein gnadenloses Vorgehen.
    „Sie werden nicht bekennen“, bestätigte er Juliens Befürchtungen.
    „Nein, das werden sie nicht. Er macht mich zum Schlachter von Hunderten von Frauen und Kindern!“

    Julien hatte trotz der Hitze seine volle Montur angelegt. Gabriel unterstellte ihm Selbstgeißelung und hatte damit vielleicht nicht so unrecht.

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