Aus Nebel geboren
den Kleiderständern ausmachte. Fay! Sie wollte um Hilfe schreien, aber der entsetzte Ausdruck auf Fays Gesicht hielt sie davon ab. Dies und der Schalldämpfer, der sich todbringend gegen ihre Wange presste und sie, ebenso wie der unnachgiebige Arm um ihre Kehle, weiterdirigierte.
Wenigstens gab es nun Hoffnung, dachte Chloé, denn Fay hatte sie gesehen. Hatte den Entführer gesehen und würde sie retten oder die Polizei rufen, oder eben tun, was immer getan werden musste, um sie heil zurückzubringen.
„Hier“, flüsterte ihr Peiniger und drückte ihr das Asthmaspray in die Hand. „Wenn ich die Tür öffne, dann renne. Behinderst du mich oder hältst mich auf, war es das für dich, verstanden?“
Chloé nickte und pumpte sich zwei Stöße in den Mund. Er wartete, bis sie so weit war, dann zielte er auf die Verriegelung der Hintertür. Er feuerte mehrfach und, obwohl die Schüsse beinahe geräuschlos waren, schlugen die Kugeln laut in das splitternde Holz und gegen die Wand.
Chloé schrie erschrocken auf. Ein Ruf ertönte, Schritte, Männerstimmen und das Geräusch umstürzender Kleiderwagen drangen an ihr Ohr, als sie der stahlharte Griff des Mannes an ihrer Seite hinaus in die Dunkelheit schob.
„Weiter“, rief er und drängte sie durch den finsteren Hinterhof. Sie wagte es nicht, auch nur über die Schulter zu blicken, um sich nach Fay umzusehen. Ihre Lunge schrie nach Luft, ihre Kehle brannte, und sie wusste, sie würde nicht mehr weit kommen, trotzdem setzte sie tapfer einen Fuß vor den nächsten. Sie war so darauf konzentriert, nicht zu ersticken, dass ihr das Motorrad nicht auffiel, auf das sie zurannten.
Ihr Entführer sprang regelrecht auf die Maschine und zielte dabei mit der Waffe auf ihren Kopf.
„Aufsteigen!“, forderte er.
Chloé überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, ob sie sich ihm widersetzen könnte, aber dann überwog ihre Angst vor der Pistole. Also tat sie, wie er ihr befahl, stieg auf, sah zurück in den leeren Hinterhof und krallte sich an die Lederriemen und Metallschnallen am Mantel des Fremden fest, als sie in hohem Tempo durch die Straßen von Paris flohen.
Fay duckte sich zwischen die Kleidersäcke und hielt sich die Hand vor den Mund. Sie konnte nicht fassen, was sie gesehen hatte: Chloé in der Gewalt dieses Irren aus dem Park!
Sie sah sich um, suchte nach irgendetwas, das sich als Waffe verwenden ließe, aber da war nichts! Nichts! Aber sie konnte doch nicht zulassen, dass ihrer Schwester etwas zustieß!
Sie sprang auf, als auch hinter ihr Chaos ausbrach – und wurde im nächsten Moment zu Boden gerissen. Schmerz jagte durch ihren Körper und explodierte in ihrem Kopf. Verwirrt sah sie hinauf zur Decke. Obwohl sie sich nicht bewegte, begann der Raum, sich um sie herum zu drehen.
„Chloé“, keuchte sie und hob ihren Arm, aber ihre Schwester war fort.
„Fay!“, rief Julien und suchte die Reinigung ab. Hektisch wühlte er sich durch die Kleiderstangen. Er hatte ihren Schrei gehört, aber er konnte sie nicht sehen. Cruz war inzwischen an der Hintertür angelangt und donnerte diese mit einem lauten Fluch zu. Lamar gab ihm, Julien, Deckung, und Louis war zurück auf die Hauptstraße gerannt, für den Fall, dass der Wanderer diesen Weg nehmen würde.
„Er ist fort!“, rief Cruz und trat gegen einen Kanister mit Bleiche, der daraufhin gefährlich wackelte, aber Julien hatte dafür keine Nerven. In seinem Herzen hämmerte eine drängende Frage.
„Fay! Habt ihr Fay gesehen?“, brüllte er und fand schließlich zumindest einen Lichtschalter. Nach kurzem Flackern wurde es hell, und Fays rote Locken auf dem ausgebleichten Linoleum wiesen ihm den Weg.
Fluchend sank er neben ihr zu Boden, wischte ihr das Haar aus dem Gesicht und presste seine Finger gegen ihre Halsschlagader. Ihr Puls war schnell und flach, aber zumindest vorhanden. Auf dem Boden und dem Kleid neben ihr war Blut. Hektisch öffnete Julien ihre Lederjacke. Darunter sah er das Shirt – getränkt von ihrem Blut.
„Verdammt!“, murmelte er und fühlte sich hilflos wie lange nicht.
„Was ist los?“, fragte Cruz und kam zu ihm. Als er Fay sah, fluchte auch er.
„Das ist sie? Hat sie die Wahrheit ?“
„Sie blutet. Warum zum Teufel blutet sie? Was war hier los?“, überging Julien Cruz‘ Frage und schob ihr Shirt hoch. Er sog scharf die Luft ein, als er die Wunde an ihrer Seite sah.
„Ein Querschläger“, erklärte Lamar, der sich nun ebenfalls über Fay beugte. „Er hat wohl die
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