Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
damit, dass sie irgendwie die Stimmung kaputtgemacht hat. Also meine Stimmung. Die sollte doch einfach nur ruhig sein und vor mir Angst haben. Ich kam mir ziemlich verarscht vor. Da bin ich tierisch sauer geworden.
Sie soll sich hinlegen, befiehlt Jonas Klingbeil. Als Bettina Penger auf dem Waldboden liegt, nimmt er ihr T-Shirt und legt es der Frau auf das Gesicht. Dann sticht er zu. Das Messer dringt in die linke Brust ein. Bettina Penger schreit vor Schmerz.
Es war so, dass ich sie bestrafen wollte. Meine Maximalphantasie spielte keine Rolle mehr. Irgendwie war ich aus dem Tritt gekommen. Die Sache mit dem T-Shirt auf dem Gesicht war nur ein Ablenkungsmanöver. Ich wollte nicht, dass die sieht, wie das Messer kommt. Ich habe auf das Herz gezielt. Der erste Stich war aber zu tief. Dann bin ich höher gegangen. Die hat geschrien und gezappelt. Da hab ich Panik gekriegt und immer wieder zugestochen, bis die ruhig war.
Später werden die Gerichtsmediziner 24 Stichverletzungen zählen, von denen 13 für sich genommen schon tödlich gewesen wären.
Die Sache ist nicht so abgelaufen, wie ich mir das immer vorgestellt hatte. Eigentlich hat es mir nichts gebracht. Das war schon enttäuschend.
Jonas Klingbeil lässt die Leiche im Wald liegen. Bettina Pengers Fahrrad schmeißt er in ein Gebüsch. Dann fährt er weg. Kurz darauf begegnet er – Kommissar Zufall will es so – einem ehemaligen Schulkameraden, der mit seiner Freundin eine Radtour macht. Erst am nächsten Tag realisiert der Zeuge, dass die rötlichen Flecken und Spritzer auf Jonas Klingbeils T-Shirt mit dem Mord im Wald in Zusammenhang stehen könnten, über den die Medien berichten. Die Kripo bekommt einen Hinweis. Wenige Stunden später wird Jonas Klingbeil festgenommen, der noch am gleichen Tag ein ausführliches Geständnis ablegt.
28 Jahre später. Ich stoße auf diesen Kriminalfall bei meinen Recherchen zum Thema Mordlust im Inhaltsverzeichnis einer Fachzeitschrift. Über die Presseveröffentlichungen erfahre ich, welcher Rechtsanwalt ihn seinerzeit verteidigt hat. Zwei Mausklicks weiter weiß ich, dass der Mann heute noch praktiziert.
Ich schreibe Jonas Klingbeil einen längeren Brief, stelle mich kurz vor und erkläre ihm, warum und worüber und zu welchen Konditionen ich mit ihm sprechen möchte. Dieses Schreiben übersende ich seinem Anwalt, von dem ich zuvor in einem Telefonat erfahren habe, dass zwischen ihm und Jonas Klingbeil nach wie vor Kontakt besteht. Er will den Brief weiterleiten. Jonas Klingbeil möge selbst entscheiden, ob er sich melden und mit mir zusammenarbeiten möchte.
Etwa drei Wochen später bekomme ich Post von Jonas Klingbeil. Er sagt nicht zu, er sagt aber auch nicht ab. Er hat Fragen: »Was ist an meiner Geschichte für Sie so interessant?«, »Was genau wollen Sie von mir wissen?«, »Wie intensiv wird dieses Gespräch werden?«, »Wie tief wird das gehen?«, »Sind Sie noch im aktiven Dienst?«, »Warum sollte ich Ihnen vertrauen?«
Ich schreibe zurück und beantworte seine Fragen. Zwei Wochen darauf liegt seine Antwort samt Anlage in meinem Briefkasten. Er habe sich die Sache reiflich überlegt, versichert er mir, aber zu einem Gespräch sei er derzeit nicht bereit. Vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt. Allerdings hat er das Gerichtsurteil und das psychiatrische Gutachten seinem Schreiben beigelegt, um diese Unterlagen hatte ich ihn als Vorbereitungslektüre für ein mögliches Gespräch gebeten. Darüber bin ich einigermaßen überrascht, weil Jonas Klingbeil einerseits nicht mit mir zusammenkommen möchte, er mir aber andererseits Urteil und Gutachten überlässt und somit viel über sich preisgibt. Meiner Erfahrung nach ist das eher ungewöhnlich.
Gespannt beginne ich die Verfahrensunterlagen zu lesen und erfahre dabei, wie Jonas Klingbeil aufgewachsen ist: Er kommt in einer baden-württembergischen Kleinstadt zur Welt, sein Vater ist von Beruf Buchhalter, die Mutter Hausfrau. Die ersten Lebensjahre verlaufen eher unauffällig. Erst nachdem sein Bruder geboren wird, Jonas ist jetzt vier Jahre alt, zeigt der Junge ein ungewöhnliches Verhalten: Er wirkt unruhig, kann sich schlecht konzentrieren, rutscht beim Essen auf dem Stuhl hin und her, lässt sich leicht ablenken, erscheint unberechenbar, wird aggressiv, wenn die Mutter ihm etwas verbietet, redet sehr viel.
Die Mutter geht mit dem Jungen zu einem Kinderpädagogen, der letztlich keinen Behandlungsbedarf sieht, weil es sich lediglich um
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