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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Young
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abgewetzten Laufschuhen übereinandergeschlagen.
    “Doch, Martin Lee, sehr guter Mann, aber beide Verletzte waren in solch kritischem Zustand, dass ich den Jungen übernommen habe.”
    “Sagtest du nicht, hier wäre weniger los als in St. Luke?”
    “Ich sagte, wir haben hier weniger Schussverletzungen. Angetrunkene Autofahrer kriegen wir jede Menge.” Er stellte die Tasse ab. “Bist du zum Arbeiten oder zum Schwatzen hier?”
    “Zum Arbeiten”, sagte Kate und schenkte ihm ein sprödes Lächeln. “Aber keine Sorge, ich will dir nicht die Patienten abluchsen.”
    Sam wandte sich zu Ruby. “Ich fahr heim und hau mich aufs Ohr. Rufen Sie mich, wenn etwas Dringendes ist.” Sein Blick wanderte zurück zu Kate, und in seinen Augen lag etwas Dunkles, das sie nicht zu deuten vermochte. “Geben Sie Kate Agnes Wainwright, Ruby!” Dann war er weg.
    “Wer soll das sein?”, wollte Kate wissen.
    “Die ist ‘ne Nervensäge, ‘ne eingebildete Kranke”, murmelte Ruby und schaute Sam verblüfft nach. “Was in aller Welt war das denn, Mädchen? Ist der sauer auf dich?”
    Und ob, denn ich erinnere ihn an die Sünden seiner Vergangenheit. “
Ich glaube, er ist beleidigt, weil Leo ihn nicht konsultiert hat. Aber er kann mich nicht vertreiben, Ruby.”
    “Ach, der ist bloß müde”, sagte Ruby und schaute besorgt zur Tür. “Arbeitet zu viel, Frau vor’n paar Monaten gestorben, Tochter treibt ihn zum Wahnsinn, und er will Mama und Papa zugleich sein. Bestimmt nichts Persönliches, Kate. Passt nicht zu ihm. Ganz prima Arzt, jawohl, ‘nen besseren findest du nicht.” Sie schüttelte den Kopf und spülte ihre Tasse aus. “Muss Erschöpfung sein.”
    Am Ende ihres ersten Arbeitstages war Kate sich ziemlich sicher, dass sie in ihrer neuen Umgebung ganz gut zurechtkommen würde. Einige chronische Fälle ausgenommen, litten ihre Patienten an allen möglichen Wehwehchen, von Nebenhöhlenentzündungen bis hin zu Bauchschmerzen und eingewachsenen Zehennägeln. Leo hatte nicht übertrieben, es gab genug zu tun für einen weiteren Arzt. Sam war sie nur einige Male kurz im Korridor begegnet. Als sie nach Dienstschluss den Pausenraum betrat, waren Diane Crawford und Cheryl gerade in eine Unterhaltung vertieft; sie nickte ihnen freundlich zu und schüttete den Rest ihres Diät-Drinks in den Ausguss.
    “Es kommt Ihnen bei uns sicher langweilig vor nach fünf Jahren Boston, oder?”, fragte Diane. Cheryl sah Kate offen an; jung, sympathisch, mit auffallend schönen Augen, aber Dianes Lächeln schien aufgesetzt.
    “Offen gesagt hatte ich für Langeweile keine Zeit”, entgegnete Kate.
    “Glaube ich Ihnen gerne”, kommentierte Cheryl. “Montags geht’s hier zu wie in einem Bienenkorb, aber heute war’s besonders schlimm. Diane, stell dir vor, Ruby hat ihr Agnes Wainwright untergejubelt! Aber Sie müssen wahre Wunder gewirkt haben, Dr. Madison”, fügte sie hinzu und tunkte einen Teebeutel in ihre Tasse. “Agnes ist tatsächlich zufrieden abgezogen. Sonst brummelt sie sich dauernd was in den Bart, dass die Ärzte schon so sind wie die Anwälte – nur hinter der Kohle her!”
    Kate stellte ihr Glas in den Geschirrspüler. “Sie wird alt, sie ist einsam und sie hat chronische Schmerzen mit ihrer Arthritis. Ich habe mir einfach mal zehn Minuten Zeit für sie genommen.”
    “Das haben Sam und Leo tausend Mal gehört”, wandte Diane kühl ein. “Wenn Sie erst mal länger hier sind, wird Ihnen die Geduld vergehen.” Sie warf achtlos ihren Löffel in die Spüle. “Und da wir gerade davon sprechen – wie lange gedenken Sie zu bleiben? Doch nur, bis wir jemanden gefunden haben, der zur Praxis passt, oder? Lassen Sie sich nicht von Leo zum Notnagel degradieren! Das haben Sie bestimmt nicht nötig, jetzt, wo nicht klar ist, was aus Ihrer Mutter wird.”
    Kate dreht sich um und sah die Arzthelferin voll an. “Es mag Sie erstaunen, aber genau das habe ich nötig. Ich bin Medizinerin. Ich heile Krankheiten. Als Sams Assistentin wissen Sie, dass meine Mutter bei ihm und nicht bei mir in Behandlung ist. Wenn ich meiner Mutter diesen Dienst schon nicht erweisen kann, ist es eine große Genugtuung für mich, anderen Patienten helfen zu können.” Sie lächelte. “Entschuldigen Sie mich bitte.”
    Sie ging, und da sie annahm, dass niemand mehr im Hause war, glaubte sie, einen heimlichen Blick in die Krankenakte ihrer Mutter riskieren zu können. Sie durchkämmte gerade die Karteikarten, als Ruby unerwartet auftauchte und ihr

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