Aus reiner Notwehr
grübelst zu viel.” Im Weggehen fügte sie hinzu: “Meine Aussage hat Chief Escavez höchstpersönlich aufgenommen. Deke ist gut mit ihm bekannt. Vielleicht solltest du auch erst mit Escavez sprechen.” Ihr Lächeln galt einzig und allein Nick; dann ging sie hinüber zu Stephen und setzte sich zu ihm.
“Chief Escavez ist hier, Nick”, sagte Pamela ruhig. “Du kannst auch vor ihm aussagen. Ich habe nichts dagegen.”
“Nein.”
“Der Junge da drüben ist völlig aufgelöst”, fuhr sie fort, ihre Augen immer noch auf Stephen gerichtet. “Ich hoffe, Mrs. Russo merkt das. Er braucht jetzt Zuwendung.” Sie sah Nick an. “Fühlst du dich in der Lage, jetzt deine Aussage zu machen?”
“Schieß los! Was sollen wir bis morgen warten.”
Für einen Moment sah sie ihn still an. Dann fragte sie: “Wo war die Waffe?”
“Im Küchenschrank. Er brauchte nur die Tür aufzumachen. Normalerweise schließe ich sie ein, aber diesmal hatte ich’s vergessen. Ich war zu einer Party bei Ambers Vater gegenüber eingeladen, es war noch Zeit, ich hatte Langeweile, da habe ich die Waffe gereinigt und dann liegen gelassen. Eigentlich wollte ich gar nicht hin.” Er lachte sarkastisch auf. “So ist das, wenn man krankfeiert. Man hat zu viel Zeit, und man wird unruhig und nachlässig.”
Pamela machte ihre Notizen und fragte sich, ob er wohl eine Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen und versucht hatte, sie zu erreichen. Nick wusste, sie hatte selten Nachtdienst. Sie merkte, dass ihre Gedanken vom dienstlichen Gleis abkamen.
“Du hast also eine geladene 38er in den Küchenschrank neben Chipstüten und Konservendosen gelegt, nur um ein wenig schneller zur Party zu gelangen?”
“Diese Frage stelle ich mir schon die ganze Zeit.”
“Mensch, Nick …”
Er stand zornig auf. “Ich habe meine eigene Dämlichkeit zugegeben, verflixt noch mal! Ich dachte nicht im Traum daran, dass Cody sie findet! Und wenn, dann hätte er die Finger von der Kanone gelassen. Nie im Leben hätte er sie auch nur angefasst.” Aufgebracht fuhr er mit der Hand durch die Luft.
“Aber gemacht hat er’s doch. So ist das – Bengel und Waffen. Einen winzigen Augenblick nicht aufgepasst. Du und Cody, ihr wart nicht die Ersten, und ihr werdet nicht die Letzten sein.”
“Wird schon wieder, was? Willst du das sagen?”
“Nein. Und ich übersehe auch nicht, dass du deine Sorgfaltspflicht vernachlässigt hast. Dein Sohn wurde lebensgefährlich verletzt; einzig der schnellen Reaktion dieses jungen Mädchens und dem Zufall, dass unter den Partygästen mehrere Ärzte waren, verdankt er sein Leben. Du hast Glück gehabt. Wenn du dich also unbedingt verrückt machen willst, denk mal darüber nach!” Sie klappte ihr Notizbuch zu und stand auf. “Ich habe so manchen Eltern schon erheblich tragischere Mitteilungen machen müssen!”
Sie wandte sich zum Gehen, aber er hielt sie am Arm zurück. “Pam, entschuldige, dass ich so kurz angebunden und so geistesabwesend bin. Ich begreife das nicht. Erst ich, dann mein Kollege, und jetzt Cody. Wenn es mich statt Joe Morales erwischt hätte bei der Schießerei – was wäre dem Jungen von mir geblieben? Bestimmt nicht die erbärmlichen paar Mal, die ich mit ihm zum Football oder Baseball war; eher schon die ständigen Auseinandersetzungen zwischen mir und Lisa vor der Trennung. Wie oft habe ich ihm versprochen, ich lasse mich bei Veranstaltungen in seiner Schule sehen, an denen er mitwirkte, oder dass wir angeln gehen. Nie ist was daraus geworden!” Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und wehrte ab, als Pam ihn zu trösten versuchte. “Seit fünf Jahren bin ich geschieden, aber ein miserabler Vater bin ich schon viel länger. Doch bei der Sache mit Joe, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, Pam, da habe ich mir geschworen: Wenn Lisa ihn mir über die Ferien gibt und ich einigermaßen wieder auf den Beinen bin, dann ändert sich was. Und das hat es auch, bis jetzt!” Die Stimme drohte ihm zu versagen. “Wenn er mir heute Nacht gestorben wäre …”
“Aber er hat überlebt, Nick. Er wird durchkommen.” Pam hätte ihn gern gestreichelt und getröstet, doch sie spürte, dass sie von Amber beobachtet wurden. Trotzdem legte sie ihm die Hand auf die Schulter. “Hast du deine geschiedene Frau unterrichtet?”
“Sie ist gerade auf einem Lehrerfortbildungskurs. Ich wollte warten, bis ich Genaueres über Cody wusste, und habe sie dann angerufen. Morgen früh wird sie hier
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