Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik
Persönlichkeit. Bei jedem von uns dreien hatte die Stimme, die Art zu singen und sich auszudrücken nur wenig mit denen der jeweils anderen zu tun. Ich war von Anfang an überzeugt, dass eins der Geheimnisse unseres Erfolgs darin bestand, dass wir es bei aller Ungleichheit fertiggebracht haben, zwischen uns ein Einvernehmen zu erzeugen, das dem Publikum nicht verborgen geblieben ist. Alles, was wir taten, entsprang dem Augenblick, nichts davon hatten wir abgesprochen. Bei uns konnte keine Rede von der einstudierten Show sein, mit der die Amerikaner alles vorher absprechen und nichts dem Zufall überlassen. Das haben unsere Zuhörer vom ersten Tag an gemerkt, und das ist der Grund für den Erfolg der Drei Tenöre, die geradezu ein Markenzeichen geworden sind. Es war nie unsere Absicht gewesen, den
Auftritt in den Caracalla-Thermen in irgendeiner Form zu wiederholen, doch der unerwartete Verkaufserfolg der Platten- und Videoaufnahmen des Konzerts erzeugte einen Druck in Richtung Wiederholung. Allerdings hatte jeder von uns einen vollen Terminkalender, und so konnten wir erst einige Monate vor der nächsten Fußballweltmeisterschaft, nämlich der des Jahres 1994 in den Vereinigten Staaten, etwas in dieser Hinsicht unternehmen, nachdem man uns für einen Auftritt im Stadion von Los Angeles ein Angebot gemacht hatte, das wir unmöglich ausschlagen konnten. Da wir überdies alle drei glühende Fußballanhänger waren (ich von Barça, Plácido von Real Madrid und Luciano von Juventus Turin), willigten wir ein. So kam es, dass wir im Juni gleichsam als Einstimmung auf das Ereignis ein gemeinsames Konzert gaben, und zwar in Monte Carlo.
Dort nun kam es zu gewissen Problemen mit Pavarottis Manager Tibor Rudas, der zugleich der Veranstalter der Galakonzerte war. Plácido gefiel dies und jenes nicht, was der Mann tat, und so entstand eine Spannung, die beinahe das Ende der Drei Tenöre herbeigeführt hätte. Ich erinnere mich, dass wir in einer großen Suite des Hotels L’Hermitage in Monte Carlo saßen und mir im Verlauf der Auseinandersetzung der Gedanke durch den Kopf ging: Jetzt ist nicht nur mit den gemeinsamen Auftritten Schluss, wir werden außerdem nie wieder miteinander reden. In das eisige Schweigen hinein erhob sich Luciano, der mit seiner weißen Hose, Turnschuhen und einem ungeheuer weiten Hemd, wozu er ein großes Baumwolltuch von Hermès um den Hals trug, wie ein Pizzabäcker aussah. Er trat so dicht an Plácido heran, dass er dessen Ohr fast mit den Lippen berührte, und fragte so laut, dass jeder es hören konnte: »Ma tu, cosa dai alle donne?« (Wörtlich übersetzt »Was gibst du denn den Frauen?«) Diese im unpassenden Augenblick gestellte Frage sorgte dafür, dass wir alle in Gelächter ausbrachen. Er war ein großartiger Bursche, und aus unserer Beziehung wurde eine wahre Freundschaft. Ja, Freundschaft ist das richtige Wort dafür. Man hat mich gefragt, ob wir
uns ausschließlich aus beruflichem Interesse gut miteinander verstünden. Das ist nicht der Fall – zwischen uns bestand eine aufrichtige Wertschätzung. Jenseits der Späße und der beruflichen Gespräche hatten wir auch Gelegenheit, einander als Menschen kennenzulernen und offen über unser Leben zu reden, über private Angelegenheiten – ein deutlicher Beweis dafür, dass uns nicht nur die Verträge aneinander banden. Hinter dem Bild des Lebemannes steckten bei Luciano Offenheit und Aufrichtigkeit. Er gehörte nicht zu denen, die sich in Lobreden über andere ergehen, und er war auch nicht darauf angewiesen, sich mit jedem gutzustellen. Bei ihm wusste man stets, was er dachte, er verfolgte in seinem Denken und Handeln eine klare Linie und erwartete von anderen dasselbe. Auch wenn ihn manch einer eines gewissen Hangs zum übertriebenen Individualismus verdächtigt haben mag, so hat er doch nie jemanden hintergangen. Ich habe Lucianos Wesensart stets positiv gesehen und sie zu schätzen gewusst.
Plácido ist ein einzigartiger Mensch, was sicherlich auf das außergewöhnliche Leben zurückgeht, das er von klein auf geführt hat. Seine Eltern waren Zarzuela-Sänger, die Mitte der Vierzigerjahre nach Mexiko ausgewandert waren und dort ihre eigene Truppe gegründet haben. Da war es nicht weiter verwunderlich, dass Plácido sein ganzes Leben der Musik, dem Theater und dem Gesang gewidmet und bereits mit achtzehn Jahren debütiert hat. Diese Welt war von Anfang an sein Ein und Alles, und er lebt gern so, wie sie es verlangt. Es macht ihm nichts aus,
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