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Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Titel: Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Carreras
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Gemäldesammlung besitzen könnte. Er empfing uns in Hemdsärmeln im Salon und bot uns eine Tasse Kaffee an. Wir erklärten ihm die Aufgabe, mit der wir uns beschäftigten, und erläuterten ihm unsere Vorstellungen. Er erwiderte, dass er das Angebot zu schätzen wisse, schon über die Sache nachgedacht und bereits ein Thema gefunden zu haben glaube, das unseren Vorstellungen nahekommen dürfte. Dann bat er uns, ihn einige Augenblicke zu entschuldigen, und verschwand. Wir waren ziemlich überrascht, als er fünf Minuten später ohne Notenblätter zurückkam, doch er setzte sich sogleich an den Flügel und begann »Friends for Life« (Freunde für immer; spanisch: Amigos para siempre) zu spielen, wobei er den Text vor sich hin trällerte. Noch während ich ihm zuhörte, wusste ich: Das ist es!
    Genau so etwas wollten wir. Das Lied hat uns förmlich begeistert, und wir stießen mit ihm auf das Geschenk an, das er uns damit gemacht hatte. Danach wurde das komplizierte Räderwerk in Gang gesetzt, das nötig war, um dieses Stück aufzunehmen. Ich hatte daran gedacht, es zusammen mit Gloria Estefan zu singen, und wir ließen sie sogar einige Wochen später in ein Studio in New York
kommen. Der Komponist persönlich dirigierte die Probeaufnahme und sagte, nachdem er sich Gloria Estefan angehört hatte, man brauche dafür eine Stimme mit einem anderen Register. Wir waren sprachlos, aber er blieb bei seinem Urteil, ohne es näher zu erklären, dankte der Sängerin für ihre Mitwirkung und hielt ihr die Tür auf. Dann entschied er mit unserer Zustimmung, dass Sarah Brightman, von der er sich kurz zuvor nach mehrjähriger Ehe hatte scheiden lassen, das Lied singen solle. Obwohl ihr sängerisches Profil unserer Vorstellung nicht entsprach, erschien sie mir ebenso geeignet wie Gloria Estefan. Sie war bereits in einigen der Musicals ihres Mannes wie Cats und Das Phantom der Oper aufgetreten, trotzdem aber damals weniger bekannt als Gloria Estefan. Es war ein kluger Schachzug von Lloyd Webber, sich für seine frühere Frau zu entscheiden, denn sicher war ihm bewusst, dass »Friends for Life« ihrer Karriere neuen Auftrieb geben könnte, und genauso ist es auch gekommen. Da ich meinen Part bereits in New York aufgenommen hatte, schickte man das Band nach London, wo Sarah Brightmans Stimme hinzugemischt wurde, und so lernte ich sie erst kurz vor der Schlussfeier persönlich kennen. Auf der Aufnahme war sie großartig, und wir verstanden uns auf der Bühne glänzend.

    Carreras und Brightman lernten sich kennen, als auf der Plaza del Rey mitten in der Altstadt von Barcelona ein Musikvideo aufgezeichnet wurde. Sarah erwies sich als ebenso liebenswürdig wie professionell, und die beiden kamen blendend miteinander aus. Überdies mussten sie in einem Studio des Stadtviertels Pueblo Nuevo die Musiknummern für die Feiern aufzeichnen, damit sowohl bei der Eröffnung als auch beim Abschluss alles einwandfrei gelang. Bei dieser Arbeit war äußerste Sorgfalt nötig, denn im Studio gab es einen gewissen Hall, der das Abhören erschwerte.
    Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Carreras bei der Aufgabe, der Welt im Rahmen der Feiern zu zeigen, wozu die Opernsänger Spaniens fähig waren, eine Schlüsselrolle zukam. Stellvertretender musikalischer Leiter war Josep Pons, der sich bestens mit Carreras verstand und nie darüber
klagte, dass er an zweiter Stelle stand und Stunden damit zubrachte, für alle bei den Feiern verwendeten Instrumente Stimmen umzuschreiben. Es war Bassat bewusst, dass das Land der Welt einen Eindruck von seinem kulturellen Reichtum vermitteln konnte, das nichts mit der Folklore zu tun hat, die so oft mit Spanien verbunden wird. Dass bei ein und derselben Feier José Carreras, Plácido Domingo, Giacomo Aragall, Juan Pons, Teresa Berganza und Montserrat Caballé auftraten, würde jeden beeindrucken, der auch nur eine Spur musikalischen Sachverstand hatte. Nach einem von allen Sängern vorgetragenen Potpourri wollte man mit einer Reihe von Arien, die durch »Ritorna vincitor« (Als Sieger kehre heim) aus Verdis Aida beschlossen werden sollte, der Oper huldigen, der Musikform, die Europa der Welt geschenkt hatte. Außerdem sollte bei der Schlussfeier, während die olympische Fahne hereingetragen wurde, Victoria de los Ángeles »El cant dels ocells« und Agnes Baltsa eine Komposition ihres Landsmanns Mikis Theodorakis vortragen, die dieser selbst dirigieren würde.
    Ein besonderer Fall war der von den Kanarischen Inseln

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