Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

gemeinsam mit Agnes Baltsa auftrat. Sein Neffe David Giménez dirigierte die Wiener Philharmoniker. Um die Bedeutung dieser Gala zu unterstreichen, brachte die österreichische
Post eine Sondermarke mit dem Kopf von José Carreras heraus. Die Einnahmen aus dem Konzert sowie ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf der Briefmarken waren für den Kampf gegen die Leukämie vorgesehen.

    Die Huldigungen im Liceu von Barcelona und in der Wiener Staatsoper gehörten zu den Augenblicken im Leben, in denen man glaubt, nach dem Himmel greifen zu können. Mit einer Großzügigkeit, die ich mir nicht hatte vorstellen können, hat mir das ungewöhnlich fachkundige Publikum dieser beiden meinem Herzen so nahen Städte seine Zuneigung bewiesen. Solche Augenblicke tiefsten inneren Glücks lassen einen so manche Unannehmlichkeit vergessen.

    Carreras versichert, welch großes Glück es für ihn bedeutet hat, dass er sich in seiner mehrere Jahrzehnte währenden Laufbahn auf so herausragende Agenten und Manager wie Mario Dradi, Peter Kupfer, Rosi Pritz, Michael Storrs, Dick Alen und Martín Pérez verlassen konnte.

    Die letzte Oper, in der ich gesungen habe, war Sly im Jahre 2002 in Tokio. Insgesamt habe ich in über sechzig Opern gesungen, und das waren, wie ich annehme, im Rahmen meiner Möglichkeiten alle, für die ich infrage kam. Gern hätte ich auch noch in Verdis auf einen Roman von Victor Hugo zurückgehende Oper Ernani gesungen, in der man mir für die Spielzeit 1984 der Mailänder Scala die Hauptrolle angeboten hatte. Alles war bereits mündlich abgesprochen, aber da es dort mit der Inszenierung durch Lucca Ronconi nicht klappte, hat man sich stattdessen für I Lombardi (Die Lombarden) entschieden, ebenfalls von Verdi. Es ist nicht so, dass ich damit irgendwem etwas hätte beweisen wollen, ich hätte die Rolle einfach gern gesungen.

    Und was bleibt José Carreras jetzt noch zu tun?

    »Ich bin sehr stolz auf das, was ich bisher geleistet habe, meine aber, dass noch ein langer Weg vor mir liegt. Natürlich wird mir im Rückblick die Bedeutung meiner Karriere bewusst. Von meinen künstlerischen Erfolgen abgesehen kann ich auf Ehrendoktortitel von vierzehn Universitäten verweisen, einige der bedeutendsten Einrichtungen auf der Welt haben mir Orden und Medaillen verliehen, außerdem bin ich wegen meines Kampfes gegen die Leukämie Ehrenmitglied eines halben Dutzends wissenschaftlicher Vereinigungen sowie Botschafter des guten Willens der UNESCO.«

    Carreras hat darüber hinaus noch die Kraft weiterzusingen und seine Stiftung zu fördern. Er ist ein ausgesprochen vitaler Mensch und liebt seinen Beruf als Sänger. Es macht ihn glücklich, Säle zu füllen und über das ihm mitgegebene Instrument – seine Stimme – mit anderen Menschen Verbindung aufnehmen zu können.

18.
Vom Marathon in Barcelona zum Leipziger Spendenmarathon oder Der lange Marsch der Solidarität
    I n einer der Hallen der Neuen Messe in Leipzig findet seit 1995 die große José-Carreras-Spendengala statt, die von der ARD jeweils direkt ausgestrahlt wird. Da die Stadt auf eine lange musikalische Tradition zurückblickt – schließlich haben hier Bach und Mendelssohn gewirkt, und Wagner ist hier zur Welt gekommen –, erschien sie Carreras, als er mit der Leitung des Senders über die Möglichkeit einer alljährlich zu veranstaltenden Spendengala zugunsten des Kampfes gegen die Leukämie sprach, als Ort dafür besonders geeignet. Außer der bedeutenden Rolle Leipzigs für die Musikgeschichte sprach auch die gute Infrastruktur für die Stadt, über die der Sender dort verfügt. Carreras versprach, dafür zu sorgen, dass die besten Interpreten der E- und U-Musik verpflichtet würden, während es Aufgabe der ARD sein würde, alles Erforderliche zur Verfügung zu stellen, um der Spendengala zum Erfolg zu verhelfen und die Spendenerlöse geeigneten Einrichtungen in Deutschland zukommen zu lassen.
    Als wir auf dem Flughafen von Leipzig landeten, um an der Spendengala teilzunehmen, bei der neben anderen bekannten Künstlern auch Andrea Bocelli, Michael Bolton und Paul Potts auftreten sollten, war es so kalt – zwölf Grad unter null –, dass die Maschinen auf der Startbahn enteist werden mussten. Auf dem Rathausplatz in der Stadtmitte, wo eine anheimelnde vorweihnachtliche Stimmung herrschte, sorgten Glühwein und heiße Würstchen dafür, dass man die Kälte besser ertrug. In einem nicht weit entfernten hundertjährigen, eleganten und zugleich nüchternen Hotel