Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik
gebolzt, sondern auch an so manchem Samstagnachmittag auf einer freien Fläche namens La Palmera an der Carretera de la Bordeta nicht weit von unserem Haus entfernt mit anderen aus der Nachbarschaft gespielt, wobei wir ein Feld von vorschriftsmäßiger Größe abgesteckt und einen richtigen Lederball benutzt haben.
In der Schule war ich in der Basketballmannschaft, aber beim Straßenfußball sind wir uns wie die großen Legenden unserer Zeit vorgekommen. Bei diesen Begegnungen war ich immer rechter Innenstürmer, weil ich mit links nicht gut schießen konnte. Wie die meisten Jungen meines Alters – genauer gesagt meiner Generation – habe ich mir vorgestellt, ich sei Kubala. Dieser legendäre ungarische Spieler war ein wirklicher Musterathlet. Später hatte ich ein anderes Vorbild, das zeitlich mit Kubalas letzter
Phase als Fußballspieler zusammenfiel, nämlich Evaristo de Macedo.
Das erste Spiel im Stadion von Camp Nou, an das ich mich erinnern kann, war eine Begegnung, in der Evaristo den Vorstopper Santamaría von Real Madrid mehrfach ausspielte und Barça überlegen mit 4: 0 gewann. Aber mein eigentliches Vorbild war eindeutig Kubala. Eine Zeit lang habe ich geschwankt, ob ich lieber Mario del Monaco oder László Kubala wäre. Zum Glück habe ich mich dafür entschieden, den Belcanto dem Fußball vorzuziehen, und ich glaube nicht, dass dem Sport damit etwas verloren gegangen ist. Kubala war zu seiner Zeit für den Verein so wichtig, dass Barça ein größeres Stadion bauen musste, um all denen Platz zu bieten, die ihn sehen wollten. So viele Zuschauer strömten jeweils zu den Spielen im Stadion von Les Corts, dass sich mein Vater weigerte, mich dorthin mitzunehmen. Er fürchtete, es könne eines Tages zu einem wilden Gedränge kommen, bei dem ich Schaden nehmen könnte. So musste ich noch einige Jahre warten, bis ich die Gelegenheit bekam, mir ein richtiges Fußballspiel anzusehen. Bis dahin war ich darauf angewiesen, die Partien im Radio zu verfolgen. Zum Glück waren die Reporter sehr gut, denn sie kommentierten den Spielverlauf nicht nur in hervorragender Weise, sondern brachen auch in so begeisterten Jubel aus, wenn ein Tor fiel, dass sie die Zuhörer damit ansteckten.
Zum ersten Mal hat Carreras das Stadion von Camp Nou kurz nach dessen Einweihung in Begleitung seines Vaters betreten, als er zehn Jahre alt war. Er erinnert sich noch heute an die damaligen Stammspieler der Mannschaft, angefangen vom Torwart Ramallets bis hin zum Linksaußen Czibor. Er kann ihre Aufstellung auswendig hersagen, als sei er gestern dort gewesen, dabei ist in Wirklichkeit mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen. Gern hätte er noch das Album mit den Fußball-Sammelbildchen der Spieler der ersten Liga jener Zeit, das im Regal seines Zimmers einen Ehrenplatz einnahm und das er so manchen Abend vor dem Einschlafen betrachtet hat.
Ganz abgesehen von der sportlichen Seite hat sich für mich mit Barça schon bald ein Heimatgefühl verbunden. Man hat viel über das Thema geschrieben, aber ich meine, dass die Spiele dieses Vereins während der Franco-Zeit jedem ein Ventil für seine Empfindungen boten, der sich als Katalanen ansah. Ich erinnere mich an ein Pokal-Halbfinale, bei dem sich ein Schiedsrichter namens Guruceta alle in Barcelona zum Feind gemacht hat, weil er Real Madrid einen Strafstoß zugebilligt hat, dessen Spieler Velázquez angeblich im Strafraum gefoult worden war – das stimmte aber nicht, der Vorfall hatte sich nicht etwa eine Handbreit von der Linie entfernt abgespielt, sondern zwei bis drei Meter. Die ungerechtfertigte Benachteiligung von Barça war ein Skandal. Damals, in der Schlussphase der Franco-Herrschaft, steigerte sich die Empörung zu einem wahren Aufruhr, bei dem die Polizei gegen die auf den Straßen demonstrierende Menge vorging. In diesen Jahren sah man im Stadion neben Fahnen der Stadt Barcelona auch solche Kataloniens. Mit dem Schlachtruf »Visca el Barça« (Hoch lebe Barça) haben wir unsere Identität, unsere Sprache und Kultur sowie unsere Werte, Wurzeln und Überlieferungen verteidigt, die sich von den durch den Zentralstaat verordneten und uns in der Schule beigebrachten unterschieden. Ich bin der Überzeugung, dass der Verein deshalb in unserer Gesellschaft eine so außergewöhnliche Kraft darstellt.
Fußball gespielt hat Carreras im Stadion des FC Barcelona, bei dem er unter der Nummer 49109 als Mitglied geführt wird, nie, wohl aber gesungen, was nur wenige von sich behaupten
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