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Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Titel: Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Scheffler
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das wir haben abreißen lassen müssen, bevor dort unser neues entstanden ist, habe ich alles Dachgebälk, die Fußbodendielen und Wandverkleidungen im Garten aufstapeln lassen. Damit wollen wir in den nächsten zehn Jahren unseren Kamin befeuern. Dafür muss es aber zuerst zersägt, zerhackt und trocken gelagert werden. Zum Wochenende haben sich ein paar Freunde zum Arbeitseinsatz angemeldet. Am Freitag treffen der Oberstaatsanwalt im Ruhestand und die Finnisch-Dolmetscherin ein, Samstagmittag stoßen der Technische Angestellte und die Werkstoffingenieurin dazu. Wir machen ein Partyfass Bier auf, und nun wird Krach gemacht. Der emeritierte Jurist greift sich die Kettensäge und macht sich über die Dachbalken her, der Techniker schwingt die Axt und spaltet Holz, ich zersäge mit der Handkreissäge marode Dielenbretter, die Ingenieurin entfernt Nägel und stapelt Holzscheite, die Dolmetscherin pflückt Obst, und meine Frau Sabine kümmert sich um das Essen. Nach und nach wächst der Stapel Kaminholz, aber auch ein Haufen olles, morsches und splitteriges Zeug. Ich beschließe, ein Püffken zu machen. Ich habe mir sagen lassen, dass in Brandenburg ein kleines, überschaubares Feuer von einem Meter Durchmesser und einem Meter Höhe das ganze Jahr über erlaubt sei. Bei uns auf dem Dorf muss man vorsichtig sein. Ruck, zuck hat man von einem gelangweilten Nachbarn eine Anzeige am Hals. Ich nehme einige trockene Zweige, lege ein paar dickere Stücke darauf, kippe ein wenig Diesel drüber und zünde ein kleines, gemütliches Feuer an. Die Flammen sind überschaubar. Ich bediene das Feuer. Ich stehe daneben, säge, und ab und an lege ich etwas nach. Der Haufen Mistholz wächst trotzdem. Ich achte darauf, dass möglichst nur trockenes Holz auf die Flammen kommt. Es soll nicht zu sehr qualmen. Ein Nachbar kommt den Weg entlang. »Schönes Feuer«, sagt er. »Ja«, sage ich, »ein Meter ist ja erlaubt.« – »Ja, ein Meter.« Ich lege noch etwas nach. Die Nachbarin gegenüber hängt in ihrem Garten Wäsche auf. Der Mistholzstapel wächst. Ich bitte den Oberstaatsanwalt a. D., auf das Feuer zu achten, und gehe aufs Klo. Auf dem Weg treffe ich den Technischen Angestellten. Er zeigt in einen Schuppen voller alter Pappkartons. »Können die weg?«, fragt er. – »Ja, die müssen irgendwann mal weg«, sage ich und gehe ins Haus. Als ich zurückkomme, lodern die Flammen zwei Meter in die Höhe. »Ein Meter«, rufe ich schon von Weitem, »ein Meter ist nur erlaubt!« – »Ach was«, sagt der Pensionär, »so wirst du das morsche Zeug nie los.« Von hinten kommt der Techniker mit den Armen voll Kartons und wirft sie aufs Feuer. Entfesselte Flammen stechen in den Himmel. Der Wind bläst glühende Pappstückchen in die Atmosphäre und lässt sie auf dem trockenen Rasen landen. Ich tanze wie Rumpelstilzchen herum und trete die Glutherde aus. »Ein Meter!«, rufe ich immer wieder. Und: »Die Feuerwehr, gleich kommt die Feuerwehr!«
    Die Pappe ist schnell verbrannt, und auch das übrige Holz schrumpft in kurzer Zeit wieder auf das legale Maß. »Da ist ja ordentlich Glut«, sagt der Jurist. Der Techniker nickt. Sie ziehen ab, kommen mit einem zwei Meter langen, morschen Dachbalkenende zurück und werfen es in die Flammen. Es qualmt. »Das muss unterfüttert werden«, sagt einer und legt noch Splitterholz nach. Das war offenbar feucht. Der Rauch zieht in Richtung der nachbarschaftlichen Wäsche. »Das Feuer braucht Stoff«, ruft der Techniker, nimmt den Kanister und kippt einen ordentlichen Schuss Diesel in die Glut. Nach kurzem Züngeln schießt eine Stichflamme in den Himmel. »Das muss ausgenutzt werden!«, tobt der Jurist, nötigt die Ingenieurin, ihm zu helfen, und schleppt mit ihr Arme voll belaubte Zweige, die ich in einer Ecke des Gartens zum Trocknen abgelegt hatte, herbei. Die Zweige sind noch nicht trocken, und es qualmt, als hätte jemand eine Nebelbombe gezündet. Ich bin sprachlos und zapfe mir ein Bier. Da höre ich aus der Ferne die Feuerwehrsirene. Das wird teuer, denke ich und fülle schnell einige Eimer mit Wasser, um immerhin vorgeben zu können, ich hätte Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Derweil wird noch kräftig Diesel nachgegossen und Holz draufgelegt. Ich habe mich in eine Ecke gesetzt, eine Flasche Kräuterlikör geöffnet und warte auf die Feuerwehr. Auch andernorts ist die eigentliche Arbeit vergessen. Es geht nur noch darum, das Mistholz zu verbrennen. Mittlerweile sind Osterfeuerausmaße erreicht. Die

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