Ausersehen
seine Lippen. Er küsste erst meine Handfläche, dann mein Handgelenk und verweilte einen Moment an der Stelle, wo mein Puls wie wahnsinnig raste.
„Nein …“ Er trat näher heran, immer noch meine Hand haltend. „Wir – ich meine, ich habe letzte Nacht gar nichts verletzt.“
Seine Stimme war eine intime Berührung, und für einen Augenblick vergaß ich meine bloßen Brüste. Alanna holte mich in die Realität zurück. Also in das, was man hier dafür hielt.
„Mylady, sind Sie bereit, mit der Zeremonie zu beginnen?“
„Ja.“ Ich warf Epi einen Blick zu und bemerkte, wie schön ihr Geschirr in der klaren Morgensonne funkelte. Ihre Hackamore und die Satteldecke waren mit Gold bestickt (noch mehr Totenschädel …). Sogar die Steigbügel glitzerten und funkelten – und es überraschte mich nicht, Juwelen darauf zu entdecken.
„Rhiannon, erlaube mir bitte …“
ClanFintan legte seine Arme um meine Taille und hob mich mit leichter Hand hinauf. Ich ließ ein Bein über Epis Rücken gleiten, und zwei Nymphen traten vor, um meine Füße in die Steigbügel zu stecken. Mit dem Rock hatte ich richtig gelegen – er war genau passend geschlitzt, sodass er in anmutigen Bahnen über Epis Körper floss, aber den Großteil meiner Beine unbedeckt ließ. Na ja, vielleicht wirkten meine Brüste dadurch nicht mehr ganz so nackt.
Die Nymphen beeilten sich, eine Doppelreihe vor Epi zu bilden. Alanna stand auf meiner rechten Seite, ClanFintan auf der linken. Ich schaute zu Alanna, und sie nickte.
„Lasst uns gehen“, sagte ich und schnalzte Epi zu, die sich daraufhin in Bewegung setzte, als wüsste sie, was sie täte. Die Nymphen hüpften vor uns her wie anmutige kleine Ballerinas. Alle paar Meter griff eine von ihnen in ihren Korb und warf eine Handvoll Rosenblüten vor Epi auf den Weg. Außerdem drehten sie ab und zu abwechselnd fröhliche Pirouetten. (Meine Vermutung war, dass sie froh waren, nicht auch mit nackten Brüsten herumlaufen zu müssen, aber vielleicht irrte ich mich auch.)
Langsam kamen wir um den Tempel herum und bewegten uns in nordöstliche Richtung. Vor uns ragte die Mauer in all ihrer cremefarbenen Pracht auf. Der hintere Ausgang war kleiner als das Hauptportal, und wie der Ausgang der Ställe schien er sich nahtlos in die Mauer einzufügen. Vor uns lag ein sanft gerundeter Hügel. Ich hielt die Zügel fest umklammert, damit niemand sehen konnte, wie sehr meine Hände zitterten.
Eine kaum überschaubare Menge Menschen und Zentauren hatten sich in der Ebene vor uns versammelt. Dahinter konnte ich den Fluss Geal sehen, und als ich meinen Blick flussabwärts lenkte, sah ich, dass er an dieser Stelle breiter wurde und ein kleines Hafenbecken bildete, in dem mehrere Barken warteten.
Wir erreichten die wartende Menge, und sofort bildete sich eine Gasse, als wäre ich ein barbusiger Moses. Als wir weiterritten, sprachen die Menschen ihre Grüße mit solch einer Wärme und Herzlichkeit aus, dass mein Magen sich langsam entspannte. Inmitten einer Gruppe von Zentauren entdeckte ich Dougal und Connor. Sie riefen mir Willkommensgrüße zu, die mir ein breites Lächeln ins Gesicht zauberten. Meine Hände hörten auf zu zittern. Es war ein großartiges Publikum. Ich lächelte ihnen zu und winkte (ich wollte königlich aussehen, aber etwas freundlicher als die Queen – sie wirkte immer so steif und … britisch). Wir schritten auf den kleebedeckten Hügel zu. Dort standen in einem weitläufigen Kreis große, alt aussehende Steine, die die Farbe von Nebel hatten. Meine Mädchen teilten sich auf, und jede stellte sich neben einen der Steine. Epi zögerte nicht. Vorsichtig suchte sie sich ihren Weg zwischen zwei Steinen und erklomm den Hügel. Erleichtert sah ich, dass Alanna und ClanFintan uns folgten.
Als Epi oben angekommen war, drehte sie sich so, dass der Fluss in unserem Rücken lag. Die Menschen waren uns zugewandt, und bald schon verstummten sie respektvoll. Ich schaute zu Alanna hinunter. Sie sah demonstrativ über ihre Schulter auf den Fluss, und ich tat es ihr gleich. Das Wasser sah erstaunlich aus. Während wir es beobachteten, kletterte die Sonne über die Baumwipfel am gegenüberliegenden Ufer. Ihre Strahlen berührten die Wasseroberfläche und ließen sie glitzern, als würde sie aus flüssigen Juwelen bestehen. Als ich meinen Blick endlich von dem unglaublichen Anblick losreißen konnte, sah ich, dass Alanna mich erwartungsvoll anschaute.
Sie nickte und flüsterte so leise, dass ich es kaum
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