Ausersehen
verstehen konnte: „Es ist an der Zeit.“
Ich räusperte mich und wandte mich der erwartungsvollen Menge zu. Ein stilles Gebet erhob sich aus meinem Innersten zu Epona. Wenn ich wirklich deine Auserwählte bin, dann gib mir bitte die richtigen Worte, um diese Menschen zu segnen.
Mit meiner besten Lehrerstimme setzte ich an. „Guten Morgen!“
Ein Lachen rollte durch die Menge, dann folgten enthusiastische „Guten Morgen, Geliebte der Epona“-Rufe.
So weit, so gut.
„Ich bin heute Morgen aus zwei Gründen zu euch gekommen.“ Ihr Schweigen erstaunte mich – kurz wünschte ich, meine Schüler könnten sehen, wie echte Aufmerksamkeit aussieht. „Zum einen, um euch von einem Übel zu unterrichten, das uns alle bedroht. Und zum Zweiten, um Epona um ihren Segen für unser Vorhaben zu bitten.“ Ich schaute meine Zuhörer aufmerksam an und stellte mit mehreren Menschen und Zentauren Blickkontakt her. „Wie ihr alle wisst, wurde die MacCallan-Burg zerstört und mein Vater von den Fomorianern getötet.“
Ich legte eine kleine Pause ein und gab ihnen so die Möglichkeit, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Nachdem sie wieder verstummt waren, fuhr ich fort: „Epona hat mir gezeigt, dass sie auch die Wachtburg übernommen haben.“
Dieses Mal wurden meine Worte mit entsetztem Schweigen aufgenommen. Ich schaute in ihre Gesichter und konnte nicht aussprechen, was ich über die dorthin verschleppten Frauen wusste. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Zentauren über alles informiert waren, aber ich wusste nicht, wie weit sich das Wissen darüber schon verbreitet hatte. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich besser nicht davon sprach. Dafür würde später noch Zeit sein, nachdem der erste Schock über die Invasion überwunden war.
Ich drehte mich um und deutete auf ClanFintan. Er trat einen Schritt näher an Epi heran.
„Ich habe meinen Ehemann ClanFintan zum Anführer der Krieger berufen.“ Jubel breitete sich unter den Zentauren aus und wurde von den menschlichen Männern aufgenommen.
Als die Jubelrufe verstummten, sprach ich weiter: „ClanFintan hat nach den Oberhäuptern aller Clans und Herden schicken lassen.“ Ich fällte eine schnelle Entscheidung, die hoffentlich Sinn ergeben würde. „Nachdem er mit ihnen gesprochen hat, wird er ein Treffen aller Haushaltsvorstände einberufen.“ Gedanklich drückte ich die Daumen, dass ich die richtige Terminologie benutzte. „Und er wird sie von unseren Schlachtplänen unterrichten, damit ein jeder sich auf den Krieg vorbereiten kann.“ Ich bemerkte mehrere zustimmend nickende Köpfe und atmete erleichtert aus. „Als Erstes müssen wir versuchen, alles über unsere Feinde zu lernen, was uns die Geschichte beibringen kann. Wenn einer von euch Informationen hat, auch wenn er meint, es handle sich nur um Märchen, die kleine Kinder erschrecken sollen, kommt zum Tempel und fragt nach Alanna. Sie wird euch zu unserem Historiker führen, damit euer Wissen Verwendung findet. Wir werden uns ausbilden und bewaffnen, denn bekannte Ängste sind nicht so schlimm wie grausame Einbildungen.“ Ich schickte einen stillen Dank an Shakespeare hinauf für diesen letzten Gedanken.
„Erinnert euch, das Gute hat nur einen Feind, das Böse aber hat immer zwei Feinde – das Gute und sich selbst.“ Das klang sehr tiefgründig, und ich wünschte, ich würde mich daran erinnern, wo ich diesen Satz mal gehört hatte – vor allem, da so viele Menschen zustimmend jubelten.
„Nun lasst uns um Eponas Segen bitten.“ Die Menge verstummte. Ich fragte mich, was zum Teufel ich mit meinen Händen machen sollte, da schoss mir das Bild der Amphore durch den Kopf, mit der das Ganze hier überhaupt angefangen hatte. Ohne wirklich darüber nachzudenken, imitierte ich Rhiannons Haltung, die so geschickt von den Pinselstrichen eines unbekannten Künstlers eingefangen worden war. Mein Körper drehte sich wie von allein in der Taille, sodass ich auf den schimmernden Fluss blickte. Ich hob meinen rechten Arm, die Handfläche nach oben gewandt. Dann schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die Fragmente eines Gedichts von Yeats, die wie eine Antwort auf meine Gebete durch meinen Kopf geisterten. Meine Stimme klang glockenhell, als ich die wundervollen Zeilen des Gedichts rezitierte:
„Wenn der Tag anbricht,
Bin ich dankbar für das, was ich habe,
Sei es gut oder schlecht.
Ich bin deinetwegen wachsam,
Und erinnere mich an die Vereinbarung, die wir hatten.
Von weit oben betrachte ich
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