Ausersehen
„Meint ihr, die wissen, dass im Tempel der Musen die schönsten Frauen des Landes versammelt sind?“
„Eher nicht“, sagte Carolan. „Die Musen ließen den Tempel mit der integrierten Schule erst in diesem Jahrhundert erbauen. In alten Zeiten sind die göttlichen Inkarnationen durch Partholon gereist und haben die jungen Frauen jeweils in den Hauptburgen unterrichtet.“
Es war komisch, Carolan reden zu hören, als würden wir in modernen Zeiten leben. Andererseits hing die Zivilisation nicht notwendigerweise von Dingen wie Geschirrspülmaschinen und Computern ab. Immerhin hatten sie hier Wein, Toilettenpapier und Schmuck. Für mich war das ausreichend modern.
„Was, glaubt ihr, würden die Fomorianer machen, wenn sie einen Hinweis bekämen, dass es gleich östlich von Laragon einen Tempel mit vielen wunderhübschen, fruchtbaren Frauen gibt?“
„Sie würden den Tempel angreifen.“ Carolan schien sich sehr sicher.
„Und was würden sie tun, wenn sie dächten, der Tempel würde von einer Gruppe Zentauren bewacht?“ Ich lächelte meinen virilen Ehemann an.
„Sie würden den Angriff mit voller Stärke durchführen.“
Während ClanFintan antwortete, konnte ich sehen, wie sich Verstehen auf seinem Gesicht ausbreitete.
„Und wäre es nicht logisch, anzunehmen, dass ihre Streitkräfte Laragon als Hauptquartier nutzen würden, anstatt die viel weiter entfernt liegende Wachtburg?“ Anerkennung schwang in Carolans Stimme mit. „Das ist ein exzellenter Plan – nur, wie bringen wir die Nachricht zu den Fomorianern?“
Das war der Teil, den ich auch noch nicht ganz durchdacht hatte, aber wieder fühlte ich einen leichten, unterbewussten Stupser. Dieser ganze Auserwählte-der-Göttin-Kram würde mich noch zur Alkoholikerin machen. Na ja, ich konnte mir Schlimmeres vorstellen.
„Ich glaube, das könnte ich schaffen“, sagte ich langsam. Der Zentaur und der Mensch schauten mich an, als wäre ich der Weihnachtsmann.
„Wie?“, fragten sie beinahe zeitgleich.
„Das hat etwas mit dem zu tun, was während meiner … Traumphasen geschieht.“ Ich seufzte. „Das erste Mal ist es in der fürchterlichen Nacht passiert, in der ich meinen toten Vater gesehen habe, ich meine, Rhiannons toten Vater. Ich wusste, dass die Kreaturen die Burg angriffen, und musste ihn einfach warnen. Ihr Vater hörte mich – irgendwie. Wie auch immer, er wusste, was ich sagte, und er wirkte beinahe so, als könnte er mich auch sehen oder zumindest spüren. In der Nacht, als ich zur Wachtburg gereist bin, ist es auch passiert.“ Meine Stimme musste die Angst widerspiegeln, die ich bei der Erinnerung daran empfand, denn ClanFintan trat an meine Seite, damit ich mich bei ihm anlehnen konnte. Sobald ich seine Arme um mich spürte, fühlte ich mich gleich viel besser – nicht gut, aber besser und bereit, weiterzusprechen. „Ein junges Mädchen hat mich gespürt. Und dann war da dieses … Ding. Der Anführer.“ Ich suchte in meiner Erinnerung nach einem Namen, und er fiel mir auch leicht wieder ein – als würde er mir zugeflüstert werden. „Nuada. Er hat mich mehr als nur gespürt, er wusste, dass ich da war. Und er sagte, er habe auch gewusst, dass ich auf der MacCallan-Burg war. Wenn ich es versucht hätte, hätte ich sicherlich mit ihm sprechen können. Ich weiß, er hätte mich gehört – oder zumindest verstanden, was ich zu sagen versuchte.“ Mich schauderte, und ich lehnte mich noch stärker an ClanFintan und genoss seine Wärme. „Das ist der Weg, auf dem sie davon erfahren werden. Ich werde es ihnen sagen.“
„Ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst.“ ClanFintans tiefe Stimme rumpelte über meinen Kopf hinweg.
„Habt ihr nicht gesagt, dass Epona die Kriegsgöttin ist?“, fragte ich und sah Carolan an.
„Das ist sie“, bestätigte er und schaute mir direkt in die Augen. „Und Epona sorgt auch dafür, dass die, die zu ihr gehören, beschützt werden.“
Er sah aus, als wollte er noch mehr sagen, aber ich unterbrach ihn: „Darauf zähle ich auch.“ Ich klang wesentlich ruhiger, als mir zumute war. Das Gefühl, dass mein Unterbewusstsein mir etwas sagen wollte, war zurück, und ich sprach die Gedanken, die mir kamen, einfach laut aus. „Wir müssen uns beeilen. Wie schnell können die vereinten Kräfte bereitstehen, und wie lange werden sie brauchen, um nach Laragon zu kommen?“
ClanFintan studierte die Landkarte, bevor er mir antwortete.
„Innerhalb von fünf Tagen können die Hauptkräfte
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