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Auserwaehlt

Auserwaehlt

Titel: Auserwaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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Helga,
die ein vollendetes Gemälde gewesen war, wirkte Christine noch wie eine Skizze.
„Stimmt das?“, fragte sie jetzt. „Ist Helga wirklich ... ermordet worden?“
Kranich nickte. „Jogger haben die Leiche heute Morgen im Park gefunden. Sie
hatte eine Kopfverletzung. Woran sie genau gestorben ist, können wir aber noch
nicht sagen.“
„Das ist nicht wahr.“ Christine Berger schlug die Hände vors Gesicht. Sie trug
keinen Ehering.
„Hätte ich doch nur die Polizei gerufen“, wimmerte sie.
Kranich schoss hoch: „Wie meinen Sie das?“
Verängstigt mied Christine Berger den Blick der Hauptkommissarin.
„Sie wussten also was?“
„Nein, o Gott nein, ich ...“ Sie duckte sich. „Helga hat mich nur gestern noch
angerufen, aus dem ICE, das muss so kurz vor sieben gewesen sein. Sie war
richtig panisch, wegen dieser Zettel, sie hatte wieder diese Wahnvorstellung,
aber diesmal sei es im Computer, meinte sie. Ich dachte natürlich, sie bilde
sich das wieder mal ein, ich meine, Gregor ist tot ...“
Clara zuckte zusammen, als etwas Kaltes nach ihr griff. Es war die Hand von
Christine Berger. Sie klammerte sich an sie.
„Ist Helga wirklich tot?“, fragte sie wieder. „In Berlin gibt es so viele
Kriminelle, man hört ja so viel in letzter Zeit, nicht wahr?“
„Wie kommen Sie auf Berlin?“ Kranich hatte das nicht erwähnt.
Die Frau hielt sich weiter an Clara fest. „Ich dachte, ich meine, Helga war
doch auf dem Weg dorthin ...“
„Frau Berger.“ Clara nickte der verängstigten Frau zu und löste sich sanft aus
der Umklammerung. „Sie haben gerade erwähnt, dass Helga Kramer Wahnvorstellungen
hatte. Was meinen Sie damit?“
In der antiken Holzvitrine tickte eine vergoldete Kaminuhr.
„Es waren Zettel, rote Zettel.“ Christine Berger nickte. „Helga hat rote Zettel
in Büchern gefunden und auf den Zetteln stand etwas drauf.“ Ihr Blick glitt
über das Regal.
„Aber die Zettel gab es nicht?“, fragte Kranich.
„Doch.“ Christine nickte wieder, dann schüttelte sie den Kopf. „Die Zettel gab
es“, sie starrte auf ihre Hände, „außerdem habe ich vorhin noch welche gefunden.“
Sie deutete auf die herausgezogenen Bücher.
Kranich erhob sich. Man sah, dass aus einem Buch etwas Rotes ragte.
„Haben Sie das angefasst?“, fragte die Hauptkommissarin und sah den Kollegen
aus Leipzig an.
Christine Berger nickte schuldbewusst.
„Aber wenn es die Zettel wirklich gibt, warum sprechen Sie dann von Wahnvorstellungen?“
Während der Mann aus Leipzig und Kranich etwas besprachen, wandte sich Clara
wieder der Frau zu.
„Die Bedeutung, die Helga ihnen gab, war nicht normal“, sagte sie so leise, als
vertraue sie Clara ein Geheimnis an. „Das kann ich kaum beschreiben. Helga
meinte oft, keine Luft mehr zu bekommen, obwohl sie gesund war, aber sie hatte
Angst, auch wenn sie aus dem Haus ging, zum Beispiel, hatte sie Angst vor
herabfallenden Dachziegeln, sie blickte immer zuerst nach oben, bevor sie das
Haus verließ. Sie hatte Angst vor einer unbestimmten Bedrohung.“
Christine Berger wand sich wie unter Schmerzen. „Sie glaubte ja, die Zettel
seien von Gregor.“
„Gregor?“ Kranich hörte alles.
„Gregor Kramer, ihr Mann.“
„Gregor Kramer kam 1994 bei einem Autounfall ums Leben“, sagte Kranich.
„Das ist es ja!“ Christine Berger hob die Hand, als wollte sie sich an die
Stirn tippen, hielt dann jedoch inne. „Gregor war ein Scheusal, Helgas Panikattacken
sind allein seine Schuld, denn als er starb, wurde es sofort besser.“
„Doch mit den Zetteln fing dann alles wieder an, die Ängste, die Sorgen, Helga
dachte wieder, jemand verfolge sie, jemand wolle sie ...“
Christine Berger schluckte. „Sie dachte, jemand wolle sie umbringen.“
Sie schluckte noch einmal. „Hätte ich doch bloß die Poli ...“
Plötzlich richtete sie sich auf: „Aber es ist auch Helgas Schuld, sie war schon
immer so, also noch in der DDR, ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber damals
war sie ja eine berühmte Geigerin, sie war viel unterwegs, sie durfte reisen,
sie hat das genossen, die ganze Aufmerksamkeit und so, die Auslandsaufenthalte,
sie war eine der Privilegierten ...“
„Aber irgendwann hat Helga behauptet, die Stasi würde sie abhören!“ Jetzt
tippte sie sich an die Stirn.
Claras Blick kühlte ab.
„Was wäre so ungewöhnlich daran, wenn die Stasi sie abgehört hätte?“, fragte
sie und begegnete dem Blick des Leipziger Kollegen, der wieder stumm in der Tür
stand. Er hieß Paschke, den Vornamen

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