Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
Vom Netzwerk:
Zärtlichkeit ist?«
    Der Zusammenbruch kam ganz plötzlich. Regine schmiß sich auf den Sessel und schluchzte. »Wir wollten heiraten. Er sagte mir, es sei ihm egal, was aus unserem Job würde. Er sagte, wir sollten heiraten, Kinder haben und uns irgendwo anders eine Stelle suchen. Aber wenn ich fragte, wann, dann wich er aus. Wir sollten besser noch warten, meinte er dann.« Regine konnte nicht weitersprechen vor Schluchzen. Ich saß da und wußte nicht, was ich sagen sollte. »Ich wollte, ich wollte uns den Weg freimachen.« Regine wischte sich mit ihrem Ärmel über die Augen.
    »Bruno war in letzter Zeit so aufdringlich geworden. Vorher hatte er das stille Ende unserer Ehe akzeptiert, wir hatten uns sozusagen in dieser Pseudo-Beziehung arrangiert. Doch plötzlich meinte er, es sei noch genügend Zeit für einen Neuanfang. Er wollte mit mir Zusammensein. Ich, ich-« Regine schluchzte weiter. »Eines Tages habe ich allen Mut zusammengenommen und ihm gesagt, daß ich Rainer liebe, daß ich mit ihm leben möchte, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben eine eigene, richtige Entscheidung fällen würde. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie viel Kraft mich das gekostet hat. Zum ersten Mal habe ich den Mut gefunden, ihm meine Position offen ins Gesicht zu sagen.« Regine machte wieder eine Pause. Ihr Schluchzen wurde leiser. »Am Anfang hat es so ausgesehen, als würde er es hinnehmen, getroffen zwar, aber trotzdem. Er zog sich noch mehr zurück. Wir sahen uns fast gar nicht mehr, was mir sehr entgegen kam. Doch dann fing er plötzlich wieder mit diesem Neuanfangsgerede an. Er näherte sich mir. Es war schrecklich. Er wimmerte mir vor, er wolle mich nicht verlieren. Aber ich, ich konnte ihm nur ein einziges Gefühl entgegenbringen. Abscheu!«
    »Wahrscheinlich hing sein Wunsch nach einem Neuanfang mit seinem Schreiben zusammen«, sagte ich langsam. Regine hastete plötzlich zum Sekretär, der im Nachbarzimmer stand. Sie riß an einer der Schubladen und zog ein paar Blätter heraus.
    »Hier, hier ist die Fortsetzung seines blendenden Romans. Ich habe sie in Brunos Schultasche gefunden.« Regines Stimme hatte nun wieder alle Weinerlichkeit verloren und enthielt blanken Zorn. »Sie hatten wirklich recht.« Sie blitzte mich aus ihren tränengefüllten Augen an. »Es ist miserabel!« Mit Schwung knallte sie die Blätter vor mir auf den Tisch. »Hier beschreibt der winselnde Pinscher, wie sehr er doch beklagt, seine Frau verloren zu haben, die er so sehr geliebt hat. Mein Gott, mir ist schlecht geworden vor soviel Selbstverliebtheit. Kein einziges Wort über seine Fehler, keine Andeutung über etwas, das er falsch gemacht haben könnte. Oh nein!« Regine lachte laut und höhnisch. »Bruno Langensiep, ein Opfer seines Schicksals. Hier nehmen Sie es mit. Ich will es nie mehr sehen!«
    »Ich kann es nicht verstehen.« Ich blickte Regine traurig an.
    »Was?«
    »Warum Sie Ihrem Mann nicht mit soviel Wut begegnet sind, wie Sie hier und jetzt an den Tag legen.«
    »Das habe ich mich auch oft gefragt.« Regine senkte ihre Stimme und spielte hektisch an ihrer Armbanduhr herum. »Manchmal war ich so wütend über meine Situation, über Bruno, über mich selbst, daß ich die Krankenschwestern auf der Station grundlos zur Schnecke gemacht habe, aber sobald ich diesem Mann gegenüberstand, war aller Zorn dahin. Die einzige Freundin, die ich habe, hat mich ständig überreden wollen, von hier wegzugehen. Laura hat mich stundenlang bekniet, das sei die einzige Chance für mich.«
    Laura! Regine Langensieps einzige Freundin. Langsam wurde mir klar, warum Laura in den Gesprächen mit mir so unfreundlich geworden war, wenn das Gespräch mit dem Thema Langensiep in Berührung gekommen war.
    Regine fuhr fort. »Laura hat es immer gut mit mir gemeint. Aber ich wollte nicht weggehen. Wo hätte ich denn hingehen sollen? Und außerdem hatte ich doch Rainer! Und so blieb dann alles beim alten, mit Angst, Resignation, Frust. Ich sagte kein einziges Wort.«
    »Statt dessen machten Sie Ihrer Ehe ein Ende anderer Art, nicht wahr?« Jetzt wollte ich alles wissen, auch auf die Gefahr hin, daß mein Magen dann gleich wieder verrückt spielen würde.
    »Ob Sie es mir glauben oder nicht, seitdem ich verheiratet bin, gehe ich dem Gedanken nach, was wäre, wenn mein Mann zu Tode käme.« Regine bewegte sich nun unruhig zwischen Fenster und Sessel hin und her. »Am Anfang war alles noch ganz harmlos. Ich stellte mir vor, wie Bruno einen tragischen

Weitere Kostenlose Bücher