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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Frau gebunden. Das ist doch klar?«
    »Natürlich! Davon habe ich schon gehört.«
    »Nach katholischem Recht ist eine Scheidung nicht möglich. Selbst wenn eine standesamtliche Scheidung vollzogen ist, bleibt die katholisch geschlossene Ehe bestehen. Eine neu eingegangene Ehe bedeutet Ehebruch und widerspricht den katholischen Richtlinien.«
    »Habe ich das jetzt richtig verstanden? Die Scheidung selbst ist zwar ungern gesehen, aber noch kein Vergehen. Die Wiederverheiratung aber ist in diesem Sinne sittenwidrig?«
    »Genauso ist es. Wir hatten kürzlich erst den Fall einer Kindergärtnerin, die ihre Stelle verlor, weil sie einen geschiedenen Mann geheiratet hatte.«
    »Und?«
    »Sie hat kein Recht bekommen. Und das war schon vorher absehbar. Die katholische Kirche als Arbeitgeber hat ihre eigene kleine Legislatur.«
    »Gut zu wissen!«
    »Es muß im übrigen gar nicht unbedingt zur Eheschließung kommen, um einen Rechtsbruch herbeizuführen. Wenn du dich von deinem Ehepartner getrennt hast und dann mit jemand anders zusammenziehst, ist das für die meisten katholischen Träger ebenfalls Grund genug, dir den Laufpaß zu geben.«
    »Mein Wohlgefallen wird immer größer.«
    »Bist du eigentlich inzwischen verheiratet, Vincent?«
    »Nein, nein«, sagte ich schnell, »aber ich will natürlich wissen, worauf ich mich da einlasse.«
    »Nach meinen Erfahrungen ist die Handhabung dieser Gesetze sehr unterschiedlich«, fügte Jochen noch hinzu. »Es gibt Träger, die tolerant über alles mögliche hinwegsehen. Andere ahnden jedes Vergehen. Es kommt auf die Gesinnung der Institution an, bei der man arbeitet. Und es kommt darauf an, ob die Öffentlichkeit Druck macht. Ein katholischer Arbeitgeber kann so lange die Augen schließen, wenn er etwas nicht sehen will, bis ein katholischer Hardliner ihm gewaltsam die Augen öffnet und ihn zu einem härteren Vorgehen zwingt.«
    Ich erzählte Jochen, daß ich bei einem Orden angestellt werden sollte.
    »Dazu kann ich natürlich nichts sagen«, meinte er.
    »Du hast mir schon sehr geholfen, Jochen.«
    Nach diesen Informationen konnte ich mich nicht direkt auf meine Vorbereitung stürzen. Ich fragte mich, wie viele Menschen wohl bei kirchlichen Arbeitgebern beschäftigt waren. Das mußten ja ungeheuer viele sein. Jochen hatte eine Kindergärtnerin erwähnt. Auch Altenheime und andere soziale Einrichtungen waren häufig in kirchlicher Hand. Katholische Verlage und Buchhandlungen gab es.
    Der ganze Verwaltungsapparat der Kirche war natürlich auch betroffen. Jede Sekretärin, die im Vorzimmer eines Weihbischofs tippte. Schulen stellten sicherlich einen großen Teil der kirchlichen Angestellten. Schulen. Mir kam Bruno Langensiep in den Sinn. Ich sah eine Scheidung für ihn plötzlich mit ganz anderen Augen. Andererseits hatte Jochen mir ja erklärt, daß eine Scheidung selbst noch nicht der Knackpunkt war, sondern erst die Wiederverheiratung. Ob Langensiep eine Freundin gehabt hatte? Ob er sich deshalb verzweifelt in den Tod gestürzt hatte? Unsinn. Regine kam mir in den Sinn. Die mißliche Lage ihres Mannes dürfte ihr ziemlich egal gewesen sein. Wenn man erstmal zu einer Trennung entschlossen war, machte man sich wahrscheinlich wenig Gedanken über die Zukunft des verflossenen Ehegatten. Für sie wäre eine Scheidung kein Problem gewesen.
    Es hätte für sie die Freiheit bedeutet. Schließlich arbeitete sie in einem Krankenhaus. In einem Krankenhaus. Mir schossen drei Liter Blut zuviel in den Kopf. Im Krankenhaus, im Krankenhaus. Ich rannte ins Nebenzimmer und blätterte hektisch im Telefonbuch. Krankenhäuser, Krankenhäuser. Die Seiten zerrissen fast unter meinen zappeligen Händen.
    Da war es. Krankenhaus St. Johannes, Zentrale 870, blabla. St. Johannes. Wenn das nicht katholisch war, würde ich einen Besen fressen. Auch Regine war bei einem katholischen Träger angestellt. Auch Regine hatte eine ähnliche Formulierung wie ich in ihrem Vertrag stehen. Regine hatte eine Affäre. Und zwar mit einem Arzt, der auch bei einem katholischen Träger arbeitete. Regine konnte eines in der Welt nicht wollen: eine Scheidung. Wenn sie ihre Stelle behalten und einen anderen Mann heiraten oder auch nur mit ihm zusammenleben wollte, dann hätte sie eine andere Lösung gebraucht!

32
    Ich konnte nicht anders. Ich mußte hin. Sie mußte es mir sagen. Ich mußte hören, daß ich einIdiot war, der zu viele Krimis gelesen hatte. Ich wollte hören, daß ich phantasierte, daß sie gleich die Polizei

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