Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
sind happy und ich bin es auch. Also was schreiben wir, wer soll’s gewesen sein, die Lady oder der Lover?“
Langsam dämmerte Gunter, auf was er hinaus wollte, welchen schrecklichen Plan er verfolgte. Oskar hatte seine eigene Wahrheit konstruiert und versuchte, aus dieser menschlichen Tragödie einen Mordfall zu basteln.
„Wieso bist Du auf einen Mörder scharf, wenn es keinen gibt?“, wehrte er sich und erhoffte Einsicht auf der anderen Seite der Leitung, aber es war zu spät.
Oskars Killerinstinkt war geweckt. Er glich einer Giftschlange auf Beutefang, die mit hypnotisierendem Blick eine ängstliche Maus ruhig stellt, um ihr dann den tödlichen Biss zu verpassen. Jetzt war er voll in seinem Element und Gunter gnadenlos überlegen. Er würde ihn besänftigen, ihm noch die Namen abluchsen und ihn dann verabschieden, damit er schleunigst den Wagen aus der Tiefgarage holen konnte, um zum Print Hotel zu fahren, die Schlagzeile fertig im Kopf. Also mimte er jetzt den Verständnisvollen. Er lullte Gunter geschickt ein. Entscheidend war, innerhalb weniger Sekunden eine vertraute Atmosphäre zu schaffen, um möglichst viele Informationen zu bekommen. Dabei spielte der Zeitpunkt eine ganz große Rolle. Angehörigen oder Beteiligten überbrachte er deshalb am liebsten selbst die schreckliche Nachricht, um den sofort eintretenden Schock, der sie hirnlos macht, auszunutzen. Erzählen und sich wichtig machen, darauf waren die meisten Menschen scharf. Er musste nur geduldig zuhören und sich blöd stellen, dann plapperten die meisten munter drauf los.
Kontinuierliche Kontaktpflege zu den Leuten, die als erste die Unglücksorte erreichten, war Reporterpflicht. Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei, das waren die Fast-Food-Lieferanten. Und dann wurde in Windeseile die erste Story raus gehauen, ohne Rücksicht auf Verluste. Für anschließende Beschwerden waren dann die Juristen zuständig, und davon gab es eine Menge im Hause. Bei Gunter musste er allerdings vorsichtig sein, der kannte ihn privat, den durfte er nicht verärgern, den würde er in der Sache vielleicht noch brauchen, und außerdem wurde der schnell nervös und könnte Dummheiten machen, also beschloss er, ihn bei seiner Eitelkeit zu packen und sein unendliches Verlangen, geliebt zu werden, auszunutzen.
„Dein Vertrauen in die Menschheit ehrt Dich, und Du warst schon immer geradlinig und ein guter Beobachter, mach’ Dir keinen Stress, ich unterstelle doch niemandem etwas. Aber überlege mal, Du mit Deiner Erfahrung. Du sagtest, sie lagen nebeneinander mit Handschellen aneinander gekettet?“ Oskar wartete, er wollte, dass Gunter selbst auf die Lösung kam.
„Ach so, ja, stimmt, das waren ihr rechter und sein linker Arm. Aber vielleicht haben sie sich zuerst geschnitten und dann aneinander gekettet.“
„Gunter“, er drang mit beschwörender Stimme noch tiefer in ihn ein.
„Du sagtest mir, dass sie um Hilfe geschrieen hat, das macht sie doch nicht und lässt sich dann die Handschellen anlegen.“ Da hatte Oskar verdammt recht. Das leuchtete Gunter auch ein.
„Ja, wie war’s denn dann?“, fragte er kleinlaut.
„Ja, wie wohl?“
„Okay, zuerst haben sie sich aneinander gefesselt, und dann hat er mit der Rechten das Messer bedient.“
„Bravo! Jetzt finden wir den Dreh“, freute sich Oskar.
„Also, er war der Täter“, überlegte Gunter laut.
„Genau, Du bist ein schlauer Fuchs.“ Oskars Lob machte Gunter stolz. Er gefiel sich in der Rolle eines Privatdetektivs.
„Schreibst Du das auch so?“
„Logisch, ich schreibe nur die Wahrheit, Du kennst mich doch, Du weißt, was für ein gewissenhafter Journalist ich bin, deshalb hast Du mir das alles ja auch erzählt, mir, Deinem besten Freund, und ich verspreche Dir, ich werde mich gleich ordnungsgemäß um die Sache kümmern. Du kannst Dich auf mich verlassen. Du gehst nach Hause zu Deiner Mama, und ich werde einen Bericht schreiben, mit dem Du sicher total zufrieden bist. Gib mir noch schnell die beiden Namen.“
Das Gift wirkte auf der Stelle, Gunter war überlistet. Er schämte sich, dem Freund misstraut zu haben, und es war ihm geradezu peinlich, dass er der letzten Bitte nicht nachkommen konnte.
„Keine Ahnung, wie sie heißen, sorry“, entschuldigte er sich verschämt.
„Ja, was machen wir denn da? Das ist doch ganz wichtig, Gunter. Hast Du eine Idee?“ Oskar machte wieder eine künstliche Pause. Er wusste, Gunter hatte nicht die Nerven, diese zu ertragen. Die Stille in der
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