Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
Präzision, mit der Gunter den Vorgang beschrieben hatte, überzeugte ihn, ja, er war sich seiner Sache sicher. An die Sitzung der mächtigsten Sportfunktionäre hatte er allerdings überhaupt nicht gedacht, und in der Tat, da hatte Michi recht, das Hotelmanagement würde abblocken. Sprachlos stand er da, und es überkam ihn das Gefühl von Ohnmacht, gerne hätte er jetzt einen Schluck aus seiner Pulle genommen. Wie eine Ratte im Labyrinth versuchte er, in Windeseile die Orientierung zu gewinnen, indem er alle möglichen Recherchewege im Geiste durchspielte, bis er die passende Antwort fand. Sein Vorhaben musste gelingen, dieses Pfund wollte er partout nicht aus der Hand geben.
„Hör zu, Michi, die Sache stimmt, soviel kann ich Dir sagen, vertrau’ mir einfach, ich mach’ das schon, und was die IOC-Sitzung angeht, dadurch wird doch die Geschichte erst richtig spannend. Es geht um eine tödliche Liebesromanze, soviel kann ich Dir schon sagen. Der Typ überlebt, aber die Frau schwebt in Lebensgefahr und wird heute oder morgen sterben, dann gibt’s den zweiten Aufmacher.“
„Tod am Rande der IOC-Sitzung“, ist doch optimal. Mein Tipp ist hundertprozentig exklusiv, wir werden die ersten sein, die berichten, und die Agenturen müssen nachziehen und uns zitieren.“ Freudig rieb er seine Hände und strahlte siegessicher. Doch Michi beugte sich gefährlich auf Augenhöhe zu ihm herunter und flüsterte mit scharfem Blick.
„Sei schön vorsichtig, Kollege, keine falschen Spekulationen. Denke dran bei allem, was Du jetzt tust: Der Hoteldirektor hat ein Parteibuch, und er sitzt im Aufsichtsrat unseres Verlags, und er schaltet jeden Monat eine Menge Anzeigen in unserem Blatt und zahlt dafür gutes Geld. Und noch was“, jetzt atmete er tief ein, wie wenn er auf der Reling eines Schiffes im Wind stünde, „sauf nicht so viel und denk’ Dir die richtige Überschrift aus, die IOC-Sitzung darf auf keinen Fall erwähnt werden!“ Mit diesem alarmierenden Kommentar schob er ihn grinsend aus der Tür.
Kapitel 12
„Möchten Sie einen Schokoriegel?“ Der Pfleger im Kontrollraum der Intensivstation hielt Albert zur Begrüßung ein Körbchen mit Süßigkeiten entgegen. Doch Albert reagierte nicht. Paralysiert starrte er durch die riesige Fensterscheibe, die ihn und Saskia trennte. Die Schwester hatte ihn hierher gebracht, er sollte auf den Oberarzt warten, der mit ihm gemeinsam in den Behandlungsraum gehen wollte. Saskia konnte er kaum erkennen. Aufgebettet lag sie vor ihm wie in einem Science Fiction Film, in einer anderen, ihm fremden und unheimlichen Welt. Umzingelt von technischen Apparaten, Monitoren, elektronischen Anzeigen, laufenden Uhren, die brav im Sekundentakt voranschritten, und leuchtenden Lämpchen. Rote, blaue und grüne Signale wechselten sich ab. Er hatte keine Ahnung, was die Farben bedeuteten. Die Geräuschkulisse hatte etwas Gespenstiges. Saugen, Pfeifen, Rattern um ihn herum, undefinierbare Klänge, erzeugt von Geräten, die den regungslosen Körpern Leben einflößten.
„Ihr erster Besuch auf einer Intensivstation, nicht wahr?“ Der Pfleger schien seine Gedanken lesen zu können.
Albert nickte, drehte sich zu ihm und fragte verständnislos, wozu die Schläuche in Saskias Nase notwendig seien.
„Nichts Schlimmes, Ihre Frau wird nur künstlich beatmet.“
„Wie lange noch?“ Verblüfft schaute ihn der Pfleger an.
„Wieso schauen Sie mich so komisch an, ich möchte nur von Ihnen wissen, was Sie denken, wann sie wieder selbständig atmen kann?“
Vorsichtig reichte ihm der Pfleger erneut den Schokoriegel.
„Essen Sie, ich glaube, Sie brauchen etwas Nervennahrung.“ Dann konzentrierte er sich wieder auf sein Schaltpult. Drückte Knöpfe und switchte zwischen den Monitoren, die vor ihm aufgebaut waren, hin und her. Er konnte jeden Patienten durch ferngesteuerte Kameras, die er nur anzuklicken brauchte, genau beobachten. Keine Bewegung entging ihm, wenn er das wollte. „Wächter über Leben und Tod“, nannte er sich selbst, und er respektierte den hohen Verantwortungsgrad seines Jobs. Die Existenz dieser schlafenden Menschen lag zu einem gewissen Grad in seinen Händen, zumindest bis das Ärzteteam die Apparate an- oder abstellte oder der Körper in Eigenregie die moderne Medizin überlistete und über „Sein oder nicht Sein“ entschied.
Seine Arbeit forderte höchste Aufmerksamkeit und volle Konzentration rund um die Uhr, deshalb bekämpfte er jeden Anfall von Müdigkeit mit
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