Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
eigentlich im Koma hätte liegen müssen und sich das gesamte Rettungsteam über diesen unglaublichen Kraftakt wunderte, als sie mit der rechten Hand versuchte, den Notarzt wegzuschieben. Ja, mit der rechten Hand hatte sie das versucht. Er sah die Situation genau vor sich, und es gab keinen Zweifel, dass sie in ihrer Panik unbewusst und automatisch agiert hatte.
Sie konnte nur Rechtshänderin sein. Nachdenklich strich er sich über sein Kinn.
„Aber das geht nicht. Die Wunde ist doch am rechten Arm. Ja, dann hat wahrscheinlich der Mann ihr den Schnitt verpasst, oder?“
Grübelnd schaute er Oskar an, der ihn am liebsten umarmt hätte, nickte und sich nach den Sofortmaßnahmen erkundigte.
In wenigen Minuten hatte er wichtige Details erfahren, die auf einen Mord hinwiesen, mit denen er nun den Staatsanwalt konfrontieren konnte. Zufrieden fuhr er weiter und schlängelte sich durch den Nachmittagsverkehr der Berliner Innenstadt. In seinem Kopf rumorte und ratterte es. Immer wieder analysierter er den Tathergang, während er erfolglos nach einem Parkplatz Ausschau hielt. Er hasste die City mit ihren unzähligen Baustellen und Verbotsschildern und hatte keine Lust, Geld für die Tiefgarage auszugeben, die zudem fast einen Kilometer vom Büro der Staatsanwaltschaft entfernt war. Also stellte er sich keck frech auf einen Behindertenparkplatz direkt vor dem unauffälligen Eingang des schäbigen Wohnhauses, das einen frischen Farbanstrich dringend nötig hätte, in dem die Hüter von Recht und Ordnung direkt über einem Spielzeugladen residierten. Hastig rannte er die Treppe hoch, denn einen Aufzug gab es nicht. Mit schwerer Atmung kam er in der zweiten Etage an. Schnaufend verharrte er einen kurzen Moment im Gang und bemerkte erste Entzugserscheinungen. Als Einstimmung auf das Gespräch hätte er ein Schlückchen aus der Pulle gut vertragen können. Die Eingangstür zur Staatsanwaltschaft war geöffnet und im Prinzip für jedermann zugänglich, was ihn immer wieder wunderte. Hier schien niemand unangenehme Gäste oder gar einen Attentäter zu fürchten. Im Polizeipräsidium war das ganz anders. Da musste er erst zur Passkontrolle, da wurde jedes Mal ein Foto gemacht, der Fingerabdruck genommen. Leibesvisitation gehörte genauso zu den Standards wie die Durchsuchung der Taschen. Anschließend füllte der Portier einen Passierschein aus, indem er genau notierte, wohin und zu wem man wollte. Der Beginn der Besuchszeit wurde eingetragen, und erst danach wurde der gewünschte Gesprächspartner informiert. Wenn er Pech hatte, folgte langes Warten, bis der Abholdienst vorbeikam.
In der Staatsanwaltschaft standen alle Türen offen. Niemand nahm Notiz, fragte nach oder kontrollierte etwas, erst recht nicht Oskar, der hier häufig ein und aus ging. Im Vorzimmer winkte er fröhlich der Sekretärin zu.
„Na, was machen die Rückenschmerzen, geht’s wieder besser?“ Eifrig weihte sie ihn über ihren momentanen Gesundheitszustand ein und er ließ das Geplapper über sich ergehen. Als die Dame tief Luft holte, um fortzufahren, nutzte er geschickt die Gelegenheit. „Wer behandelt eigentlich den Suizid im Print Hotel“. „Der Mayer“, platzte es aus ihr raus, und schon war klar, dass Justus Mayer die Ermittlungen geführt hatte. „Erste Tür links“, fügte sie noch hilfsbereit hinzu, aber das wusste Oskar eh, denn mit Justus Mayer hatte er meistens zu tun, wenn es um Mord ging. Der Staatsanwalt saß an seinem Schreibtisch und biss gerade genüsslich in einen Hamburger, als Oskar sein Büro betrat. Der unangekündigte Besuch störte ihn. Er war die ganze Nacht und den ganzen Morgen mit Befragungen beschäftigt und hatte sich schnell ein Maxi Menü von McDonald’s holen lassen, das er eiligst hinunterschlang. Außerdem war dieser Klatschreporter mehr als lästig. Egal was in der Stadt passierte, dieser Schmitt tauchte immer auf und stellte unangenehme Fragen. Davon war auch jetzt auszugehen und während ihm die Tomaten-Zwiebel-Soße über das Kinn lief, ließ er ihn wissen, dass Mittagspause sei. Doch Oskar ignorierte diesen vom Ehrgeiz zerfressenen hochnäsigen Möchtegern-Berliner, der aus dem tiefsten Frankenland kam.
„Es geht um den Vorfall im Print Hotel, da bräuchte ich genaue Informationen.“
Der Staatsanwalt winkte schmatzend ab.
„Geht nicht, das war Selbstmord, und Sie wissen, darüber können und dürfen wir Ihnen keine Auskunft erteilen.“
Oskar hatte mit dieser Antwort gerechnet und ging zum
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