Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
gelehrt.
Greta stürmte herein, er hatte sie bestellt, um mit ihr den Abend und die Nacht vor der Bestattung zu verbringen, denn er fürchtete sich vor dem Alleinsein. Damit sie bei ihm blieb, hatte er sich fest vorgenommen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und mühsam überlegt, wie er es vermied, mit ihr über Saskia reden zu müssen. Greta löste das Problem auf ihre Art und Weise, indem sie sich grußlos vor den Fernseher setzte und dort verweilte, bis er sie ins Bett schickte.
Kein Wort sprachen sie miteinander, sie war einfach nur da. Sie wollte nichts essen, nichts trinken, und als er ihr die Tablette für den Abend gab, schluckte sie diese artig und verschwand in ihrem Zimmer.
Aber sie schlief nicht. Dumpfe, monotone Hip Hop Musik dröhnte durch das Haus. Albert kannte dieses Zeremoniell. Es würde Stunden dauern, bis sie zur Ruhe fand. Seit sie die Medikamente einnahm, machte sie die Nacht zum Tag. Das Gefühl von Müdigkeit kannte sie nicht mehr, sie war hellwach und nervte mit ihrem Lärm und ihrer Präsenz. Früher versuchte Saskia, erzieherisch auf sie einzuwirken, aber es folgten nur erfolglose, lautstarke Diskussionen. Irgendwann hatte sie kapituliert, zog in den Keller und reichte das Problem an ihn weiter.
Für Albert war klar, dass es einen direkten Zusammenhang mit der Einnahme des Amphetamins geben musste. Ein klassisches Aufputschmittel, mit dem sich auch Boxer und Fußballer dopten, um konzentrierter, angriffslustiger und spritziger zu sein. Seit Greta dieses Methylphenidat zu sich nahm, hatte sich aber ihre Aufmerksamkeit verbessert, und sie war dadurch in der Lage, das Gymnasium weiter zu besuchen, denn ihre Schulleistungen reichten endlich aus. Greta musste das Abitur schaffen, darauf bestand Albert, er hatte es seinen Eltern versprochen, und daher ignorierte er diese Nebenwirkung. Er stopfte sich früher Ohropax in seine Gehörgänge und schlief bestens. Er hatte diese unangenehme Begleiterscheinung fast schon vergessen und fragte sich, wie Olivia damit umging, bislang hatte sie sich darüber nicht beschwert.
Plötzlich hörte er Greta rufen und eilte in ihr Zimmer. Sie hatte wie so oft Nasenbluten und klagte, dass sie nicht schlafen könne. Albert holte ein Kühlkissen und hielt es ihr in den Nacken.
„Kannst Du Dich zu mir legen?“ Das hatte sie ihn noch nie gefragt, er war gerührt und kam ihrem Wunsch nach. Sie lag in seinem Arm und starrte an die Decke.
„Ich habe Angst.“
„Wovor, Greta?“ Sie erzählte ihm von den Stimmen, die sie hörte. Stimmen, die ihr Befehle erteilten, und während sie sprach, verdrehte sie die Augen.
Jetzt fabuliert sie wieder, um sich wichtig zu machen, dachte Albert, aber heute nahm er ihr die Show nicht übel, schließlich teilten sie das selbe Schicksal, den Verlust eines heiß geliebten Menschen. Sie mussten Abschied nehmen, keine leichte Aufgabe. Zum ersten Mal seit langer Zeit streichelte er sie.
„Wir müssen durchhalten. Morgen, wenn der Spuk vorüber ist, wird es Dir besser gehen.“
„Es spukt immer und überall, Papa.“ Das nuschelte sie ganz leise und schlief endlich ein.
Kapitel 29
Schweren Herzens startete Olivia ihren Wagen und fuhr los. Hinein in den grauen Regentag in Rich tung Berlin. Saskias Trauerfeier sollte in der Kapelle des Lutherfriedhofs im Ortsteil Lankwitz stattfinden, und anschließend würde ihr Leichnam verbrannt werden.
„Wenn sie das wüsste, sie würde wütend protestieren“, dachte Olivia, und sie überkam eine große Traurigkeit. Vor langer Zeit hatten sie sich über das Sterben und die Verabschiedung von den Toten unterhalten. Saskia begeisterte sich für die Beerdigungsfeiern der Afroamerikaner in Pracht und Pomp, mit Tanz und Gesang, ja sie liebte die in Jazz und Blues gedrängten Gospel, die gesungen wurden, denn es waren in ihren Augen fröhliche Lieder voller Hoffnung auf eine bessere Existenz und die Befreiung aus der Sklaverei. Sie wusste viel über deren Entstehungsgeschichte und identifizierte sich mit den gepeinigten, gequälten und unterdrückten Menschen aus dieser Zeit, die feierten, um zu überleben, die neun Tage nach der Beisetzung die „Nine night“ organisierten, ihr wichtigstes Fest, aus dem sie Kraft und Zuversicht schöpften, und Saskia meinte, dass es eine gute Idee sei, die „Nine night“ statt des Leichenschmauses einzuführen.
„Weißt Du, Olivia, so möchte ich beerdigt werden, laut, fröhlich und teuer. Ein ominöses Mahl und viel Rum soll es geben, Glücksspiele. Am
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