Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
der Künstler untergemischt hatte. Bei Portraits bevorzugte Olivia die naturgetreue Darstellung, doch dieses skizzenhafte Gemälde mit den ineinander fließenden Farben verzerrte ihren fröhlichen Gesichtsausdruck, und in den weichen Konturen ertrank ihre starke Persönlichkeit. Die Frau auf dem Bild war ihr fremd und entbehrte jeglicher Ähnlichkeit mit Saskia. Davor, schaurig drapiert, die in schwarz gekleideten Familien, fein säuberlich getrennt. Sie hatten nichts gemeinsam und sich nichts zu sagen, lediglich der Tod brachte sie zusammen, ohne sie zu vereinen. Kaste, Religion, Argwohn und Neid bildeten seit Bestehen dieser Ehe eine Barriere. Damit war Saskias bürgerliche Herkunft, ihre katholische Erziehung und geringfügige Ausbildung gemeint. Aus der Perspektive von Alberts höhergestellten Aristokratenfamilie mit Tradition unteres Niveau, absolut inakzeptabel, während ihr Vater inquisitorisch versucht hatte, durch brutalste Züchtigung die eigene Tochter von Albert, dem „protestantischen Gotteslästerer“, fern zu halten.
Mit dem Ledergürtel war er ihr zu Leibe gerückt und schlug auf sie ein, bis sich ihre ältere Schwester schützend dazwischen warf und wie in früher Kindheit versuchte, Saskias Attraktivität und glatte Haut zu retten, indem sie selbstlos ihren unvollkommenen Körper hinhielt und die Schläge kassierte. Dem cholerischen Vater war’s egal. Hauptsache, er konnte seine Wut auslassen und seine Abscheu, die er für die beiden Töchter seit Beginn ihrer Pubertät hegte, denn sie hatten ihm beide böse mitgespielt, jede auf ihre Art.
Saskia hatte er als Mädchen in höchstem Maße begehrt. Ihre Makellosigkeit, die feinen Gesichtszüge, diese großen Augen und die hohe Stirn, all das liebte er an seiner „Lotusblüte“, wie er die jüngere Tochter nannte. Ihre Ausstrahlung vernebelte seine Sinne, und wenn er sie in ihren kurzen Kleidchen hüpfen und spielen sah, überwältigten die männlichen Instinkte jedes väterliche Gefühl. Sein Augenmerk galt immer weniger der eigenen Frau und immer mehr der Tochter. Jede Gelegenheit nutzte er, um Saskia streicheln und berühren zu können, um sie auf seinen Schoss zu ziehen und ihren Unterleib eng an sich zu drücken, was ihm Lust und Erregung verschaffte. Dieses unbeschreibliche Prickeln übermannte ihn immer wieder, immer häufiger, und es ängstigte ihn zugleich, denn er spürte, dass er mehr als die natürliche Liebe zum eigenen Kinde empfand. Er wusste, dass Saskia sein Sexobjekt geworden war, von dem er nicht mehr lassen konnte, nicht mehr lassen wollte, obwohl ihn die extremen Impulse stark belasteten und er seine Wünsche als „pervers“ verurteilte. Aber verzichten wollte er auf die Erfüllung seiner Bedürfnisse auch nicht und suchte nach Ausreden, um sein Handeln rechtfertigen zu können. So machte er die Enthaltsamkeit und Zurückgezogenheit seiner schwer krebskranken Frau verantwortlich für sein Verlangen und seine Sehnsucht nach Saskias Leib. Entwuchsen sie doch dem erlaubten väterlichen Zuspruch und der Entwertung der immer schwächer werdenden Ehefrau, mit deren tödlicher Erkrankung er nicht umzugehen wusste, die er nicht duldete. Er konstruierte Ausnahmen von der Regel, um sich Saskia nähern zu können, ohne offensichtlich die Regeln zu brechen. Er übernahm das abendliche Zubettgeh-Ritual und badete das Kind täglich. Behutsam wusch er Saskia, trocknete sie ab, cremte sie ein und ließ seinen sexuellen Phantasien freien Lauf, aber er konnte diese nicht exzessiv ausleben, denn da war Maren im Wege, stets dazwischen, um Aufmerksamkeit bemüht, die er ihr nicht geben wollte. Eifersüchtig stand sie in der Badewanne und zog seine Hand im feuchten Waschlappen an ihren untersetzten, runden Körper und versuchte, sie über ihre speckige Brust zu reiben, so, wie er es bei Saskias noch flachen, schmalen, knabenhaften Oberkörper machte. Ihre penetrante, dominante Art zerstörte seine erotische Stimmung in Windeseile, und das machte ihn so zornig, dass er jede Nichtigkeit zum Vorwand nahm, um sie zu beschimpfen, ja zu bestrafen. Damals prügelte er fast jeden Abend auf Maren ein oder sperrte sie in die Besenkammer, um mit Saskia alleine zu sein. Doch die Schwestern hielten zusammen, und Saskia befreite Maren aus dem Verlies, indem sie den Vater mit Charme und Zuneigung umgarnte und ihm den Schlüssel abluchste. Ein riskanter Einsatz, den sie mit immer intimeren Zugriffen bezahlen sollte. Als Saskia mit elf Jahren wagte,
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