Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
vom Ohr. Ihm war auf einmal heiß. Mist! Wenn er sich darauf einließ, war er geliefert.
Und wenn nicht, auch.
Etwas schien ihm die Brust zuschnüren zu wollen. Blocks Unterlagen. Die musste er sicherstellen, vor allem anderen. Was immer der alte Mann in dem Schließfach in Cleveland deponiert hatte, es war Markus’ letzte Chance, aus der Sache heil herauszukommen.
Er legte leise auf. Genau. Die Unterlagen holen und hoffen, dass er daraus schlau wurde. Block würde sich ja wohl was dabei gedacht haben, als er ihm das Versteck verraten hatte.
Er zog eine Schublade seines Schreibtisches auf. Der Autoschlüssel lag so da, wie er ihn hineingelegt hatte. Das hieß, sein Wagen stand noch in der Tiefgarage. Er steckte den Schlüssel ein und griff sich, ehe er das Büro verließ, ein paar belanglose Faxe, um etwas in der Hand zu haben und beschäftigt zu wirken.
»Miss Ayers«, sagte er wie beiläufig zu der Chefsekretärin, »die Damen und Herren von triple-P werden noch eine Weile brauchen. Ich gehe mal eben ein paar dringende Sachen erledigen; wenn jemand nach mir fragen sollte, ich bin in zirka vierzig Minuten zurück.« Krumme Zeitangaben, das wusste er aus Erfahrung, wirkten überzeugender als runde. Wenn jemand sagt, er habe zehn Minuten Zeit, wird man ihn unbekümmert eine halbe Stunde belabern – sagt er dagegen, er habe elf Minuten Zeit, ist die Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar in sieben erledigt.
Die Sekretärin sah auf die Uhr und fasste dann, wie sie es immer tat, in ihre Haare, ehe sie nickte. »In Ordnung, Mister Westman.«
Markus erwiderte das Nicken, versuchte zu wirken, als sei alles bestens. Kaum jemand sah auf, als er zur Tür ging. Niemand hielt ihn auf. Er stieg in den Fahrstuhl, drückte den Knopf, der Motor surrte, und als sich die Tür wieder öffnete, stand er im Zugang zur Tiefgarage.
Es war beinah gespenstisch friedlich und, ja, alltäglich, einzusteigen, den Zündschlüssel zu drehen und loszufahren. Als sei nichts. Die Rampe hoch und raus und weg.
Es war viel Verkehr, wie immer, aber er kam voran. An einer roten Ampel fischte er die Karte aus dem Handschuhfach. Nach vierzig Minuten war der Freeway 80 , der ihn aus der Stadt bringen würde, quasi zum Greifen nahe.
Er zog sein Telefon hervor, schaltete es ein und rief im Büro an. »Westman. Wie sieht’s aus?«
Ein Seufzer der Erleichterung. »Mister Westman! Gut, dass Sie anrufen. Die Leute von PPP fragen alle fünf Minuten nach Ihnen«, erklärte die Sekretärin. »Obwohl ich ihnen gesagt habe, wann Sie wieder zurück sind. Und das die ganze Zeit – Sie waren noch nicht eine Minute fort, da sind sie schon gekommen …«
Markus stieß den angehaltenen Atem aus. Da hatte er ja noch einmal Glück gehabt.
Was man eben so Glück nannte in Situationen wie dieser.
»Schicken Sie sie fort«, sagte er.
Die Sekretärin schnappte nach Luft. »Bitte?«
»Meine … Tagesplanung hat sich geändert«, erklärte Markus. »Ich komme heute nicht mehr ins Büro zurück. Die Damen und Herren von PPP sollen es für heute gut sein lassen; sagen Sie ihnen, ich melde mich in den nächsten Tagen.«
Ein Moment vorwurfsvoller Stille. »Ich glaube nicht, dass ihnen das gefallen wird.«
»Wissen Sie«, meinte Markus, »mir gefällt auch vieles nicht. Das können Sie denen gern ausrichten. Bye! «
Damit kappte er die Verbindung, anschließend schaltete er das Gerät ganz aus. Keine Rückrufe, bloß nicht. Er musste nachdenken, so gründlich wie noch nie in seinem Leben. Rauf auf den Freeway, Gas geben und denken.
Zwei Stunden später stellte sich allmählich das beruhigende Gefühl ein, die ganze Angelegenheit durchgekaut, in Einzelheiten zerlegt und diese ordentlich auf die Reihe gebracht zu haben.
Folgendermaßen sah es aus: Block war verschwunden, womöglich tot. Wenn nicht, waren in diesem Moment böse Menschen dabei, ihm sein Wissen zu entreißen, um später Ungutes damit zu tun. Er, Markus Westermann, war der einzige Mensch auf der Welt, der Zugang zu Blocks Originalunterlagen hatte und folglich die Chance, die zusammen mit Block verloren gegangene Methode zu rekonstruieren.
Doch wenn er das selber versuchen wollte, brauchte er dazu Mittel, die er nicht hatte – die Möglichkeit, Probebohrungen vorzunehmen, beispielsweise. Das war alles andere als billig, und im Augenblick hätte er nicht einmal ein einziges Futterrohr finanzieren können. Im Gegenteil, sobald seine regelmäßigen Bezüge ausblieben, würde sich umgehend die First
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